Die Herausforderung der sexuellen Entscheidungen

Es klingt eigentlich so einfach: Seine eigenen Entscheidungen treffen. Aber das täuscht sehr oft. Vor allem, wenn es um die Sexualität geht, erscheint es recht schwer, eine Entscheidung zu treffen; nicht zuletzt deswegen, weil es so viele Möglichkeiten gibt, dass man sie nicht einmal alle kennt. Darum ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass andere diese Entscheidungen für dich treffen. Oder anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du deine Entscheidungen auf Basis der Erwartungen anderer triffst.

Wenn du aber nicht einmal weißt, welche Möglichkeiten überhaupt vorhanden sind, wie kannst du dann die richtige Wahl treffen? Und wenn du dann noch befürchten musst, dass andere dich für deine Entscheidung verurteilen werden… Seine eigenen Entscheidungen treffen bedeutet aber, wirklich für sich selbst zu entscheiden, was man will und was nicht; was dir gefällt und was nicht. Du kannst dich natürlich fragen, inwieweit dies eine Entscheidung ist oder ob es nun einmal so ist wie es ist. Deine Entscheidung kann aber sein, auch wirklich danach zu handeln oder das zu erkunden, was dich wirklich erregt. Manchmal wird es eben einfach darum gehen, ob du dich traust, deine eigenen Entscheidungen zu treffen.

Sexuelle Identität

In meinem Artikel über das Entdecken seiner sexuellen Identität schrieb ich bereits, wie sich das Entdecken der sexuellen Identität über die Jahre hinweg formt. Dass das Lesen von entsprechenden Büchern, das Hören von Podcasts und Führen von Gesprächen einem dabei helfen kann, seine sexuelle Identität zu entschlüsseln, steht fest.

Wenn man seine eigenen Entscheidungen trifft, ist es sehr wichtig zu wissen, wie sich seine persönliche sexuelle Identität darstellt und wie sie sich geformt hat. Andererseits wird sie auch gerade durch die eigenen Entscheidungen geformt, mit denen man sich dann entweder gut oder auch weniger gut fühlt.

Da es zur Sexualität so viele unterschiedlichen Überzeugungen, Botschaften und Erwartungen gibt, kann es sehr schwierig sein, aus diesem ganzen Hintergrundrauschen seine eigenen Vorstellungen herauszufiltern und zu formen. Trotzdem ist es wichtig, es zu probieren. Auf diese Weise wirst du in der Lage sein, auch dann eine Entscheidung zu treffen, wenn sich ein Gespräch in eine bestimmte Richtung entwickelt. Vielleicht bittet dich auch jemand, ihm in einer bestimmten Angelegenheit zuzustimmen. Dann wirst du besser entscheiden können, ob du dies wirklich kannst oder nicht. Und falls jemand etwas ablehnt, solltest du dich zuerst selbst fragen, warum es abgelehnt werden sollte oder vielleicht eben doch nicht. Sehr oft wird beim Thema Sex mit Behauptungen um sich geworfen aber nur selten findet ein wirklich gutes Gespräch darüber statt.

Darum ist es an der Zeit, dass du anfängst, gute Gespräche über Sexualität zu führen; genau wie über das Thema Beziehungen. Höre dir an, was andere zu diesen Themen zu sagen haben, vergiss dabei aber nicht, immer wieder auch auf deine eigenen Vorstellungen und Gefühle zu hören und vergleiche sie mit denen der anderen. Nutze die Erkenntnisse anderer Menschen, um mit ihrer Hilfe neue Ideen zu entwickeln. Du solltest sie aber nicht übernehmen und zu deinen eigenen Vorstellungen werden lassen, nur weil es die einzigen Erkenntnisse sind, die man dir anbietet.

Die sexuelle Norm

Wir haben gerade schon einmal erwähnt, dass es manchmal darum geht, dass man sich traut, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Wenn es um Sexualität geht, herrschen bestimmte Normen. Diese Normen betreffen aber meist nur die Sexualität wie sie bis zu einer bestimmten Grenze sichtbar ist: also ein Verhalten, das sich meistens um heterosexuelles, monogames Verhalten dreht, bei dem eventuell noch ein Sextoy zum Einsatz kommt, wobei die Tatsache, dass es auf diesem Gebiet ein riesiges Angebot gibt, von der Norm ignoriert wird. Zum Glück befinden sich aber auch diese heterosexuellen Normen im Umbruch und entwickeln sich zu einer wesentlich breiteren Definition. Solange es aber noch den Begriff des Coming Out gibt, sind diese Normen ganz offensichtlich noch nicht divers genug.

Das Interessante ist, dass sich diese sexuellen Normen überhaupt nicht mit dem Sexualverhalten vieler Menschen decken. Es gibt zahllose Menschen, die sich nicht zu streng monogamer Sexualität bekennen, genauso wenig wie zu ausschließlich heterosexuellem Verhalten. Niemals zuvor wurden so viele Sextoys verkauft wie im vergangenen Jahr, und die Zahl an Organisationen, die erotische Feste veranstalten, hat ebenfalls schon vor 2020 stark zugenommen. Somit scheint die heterosexuelle, monogame Norm wohl bei weitem nicht für jeden der Maßstab zu sein, auf Basis dessen sie ihre Entscheidungen treffen.

Das legt nahe, dass sehr oft ganz andere Entscheidungen getroffen werden, dass die Menschen sich auch trauen, solche anderen Entscheidungen zu treffen, was sich aber dennoch nicht in einer neuen Sichtweise niederschlägt, wie Sexualität für den Großteil der Menschen tatsächlich aussieht.

Sich trauen Entscheidungen zu treffen

Als kleine Ergänzung zum Thema ‘sich trauen, Entscheidungen zu treffen’, kann es interessant sein, sich einmal Menschen anzusehen, die ganz spezifische sexuelle Vorlieben besitzen. Sie entdecken diese Vorlieben oft ganz unerwartet und spontan. Vielleicht geraten sie in eine Situation, erleben einen Moment, sehen ein Bild oder empfinden eine Emotion, die ihnen zeigt, dass sie sich hierdurch erregt fühlen. Manchmal dauert es eine Weile, bis sie sich bewusst werden, was dies für sie bedeutet. Wenn sie sich aktiv auf die Suche begeben hätten, hätten sie dieses Gefühl vielleicht niemals entdeckt. Da sie aber völlig unerwartet mit ihm konfrontiert wurden und das zuließen, was es bei ihnen auslöste, wurde es zu einem Teil ihrer Sexualität; dazu haben sie sich selbst entschieden. Das muss nicht immer einfach sein, allerdings hat man in der Regel mehr davon, seine eigenen Entscheidungen zu treffen als sich vor ihnen zu drücken und somit einen Teil der eigenen Sexualität zu unterdrücken und zu verwahrlosen.

Seine eigenen Entscheidungen bezüglich seiner Sexualität und Beziehungen zu treffen, klingt ganz selbstverständlich und simpel, das ist es aber keineswegs. Es geht dabei um das Verständnis der eigenen sexuellen Identität und auch um das Wissen, was in dieser Beziehung überhaupt alles möglich ist. Darüber hinaus erfordert es Mut, sich für das zu entscheiden, was einen neugierig macht oder was man benötigt.

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