Emotional nach dem Sex: Warum ist das so?
Nach gutem Sex erwartet man auch einen schönen Ausklang. Ein bisschen miteinander schmusen oder zusammen aus dem Bett springen und was schönes Unternehmen. Am wenigsten erwartet man wohl Tränen. Sehr viele Menschen werden nach dem Sex aber emotional. Sie fühlen sich dann traurig oder sind verstört und brechen in Tränen aus. Woher kommt das?
Emotional nach dem Sex
Mit Tränen nach dem Sex kämpfen mehr Menschen als man denkt. Fast die Hälfte aller Frauen ist schon einmal in Tränen ausgebrochen, nachdem sie einen wunderbaren Orgasmus erlebt haben und etwa 5% leiden sogar regelmäßig darunter.
Jetzt könnte man denken, dass das sicher ein typisch weibliches Phänomen wäre, das ist es aber nicht. Auch Männer können nach dem Sex von ihren Emotionen überwältigt werden und nach Zahlen ist der Unterschied zu den Frauen auch gar nicht so groß. Untersuchungen haben gezeigt, dass 41% der Männer nach dem Sex manchmal weinen und dass 3% dies regelmäßig erleben.
Hormonschwankungen
Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit bei Frauen immer noch größer, den Sex schluchzend zu beenden. Nicht nur, weil Frauen sensibler auf die emotionalen Auswirkungen von Sex reagieren können, sondern weil sie auch stärkeren hormonellen Schwankungen unterliegen. Nach einem Orgasmus sinkt das Dopamin und Oxytocin dramatisch ab, und das sind eben die schwersten Hormongeschütze, die bei uns dieses euphorische Hochgefühl auslösen, das wir beim Sex empfinden. Dann ist es nur logisch, dass uns das Wegsacken dieses Vergnügungshormone auf die Stimmung schlägt, oder?
Emotionale Entladung
So eine Tränenattacke nach dem Sex muss übrigens nicht immer eine Qual sein. Das Heulen hat meistens nichts mit Enttäuschung oder anderen negativen Emotionen hinsichtlich der Beziehung zu tun. Im Gegenteil sogar: Manchmal muss man einfach heulen, weil man so froh und glücklich ist. Man wird ganz plötzlich von Liebe überflutet und diese Liebe wird über die Tränendrüsen nach draußen gespült, sodass man als emotionales Häufchen Elend in den Armen des Partners landet.
Das ist auch überhaupt nicht schlimm oder ungewöhnlich. Wenn man den Höhepunkt erreicht, lässt man sehr viele aufgebaute Anspannungen los und setzt Energie frei. Man fühlt sich nicht nur mit dem Partner tief verbunden, sondern auch mit sich selbst, seinen Emotionen und seiner Sexualität. Eine solche Entladung ist somit nicht nur ein positiver Anschlag auf deinen Körper, sondern zugleich auch auf deine Gefühlswelt.
Tränen des Glücks? Absolut! Du wirst dich fröhlicher, energievoller und selbstsicherer fühlen, trotzdem laufen sie dir über die Wangen. Vor allem dann, wenn das letzte Mal wieder eine Weile zurückliegt oder du und dein Partner Beziehungsprobleme hinter euch gelassen habt, kann sich eine solche sexuelle Erlösung in Form von hemmungslosem Schluchzen äußern.
Niedergeschlagen nach dem Sex
Es gibt aber auch weniger erfreuliche Gründe für solche Heulattacken nach dem Sex. Beziehungsprobleme werden in dem Post-Koitus-Moment oft leichter sichtbar. Sex verspricht Intimität, Liebe und Lust und kann zur großen Enttäuschung werden, wenn sich diese Erwartungen nicht erfüllen.
Ursache hierfür könnte sein, dass ihr euch momentan in einer schwierigen Periode befindet, wodurch du nicht mehr so leicht erregt wirst oder dich nicht mehr entspannen kannst, weil du dich nicht geliebt fühlst. Vielleicht ermüdet dich auch einfach die ewig gleiche Routine, die sich in euer Sexleben eingeschlichen hat und du merkst, dass ihr hierüber nicht wirklich sprechen könnt.
Ian Kerner, ein amerikanischer Sextherapeut, weist auf das Phänomen des ‘makeup sex’ hin, bei dem man in einen Kreislauf aus Streiten und Wiedergutmachsex gerät. Der Sex kann zwar fantastisch sein, anschließend wird einem aber bewusst werden, dass man noch immer aufeinander böse ist, wodurch die echte Verbindung nicht zustande kommen kann. Das ist eine sehr frustrierende Erkenntnis, die natürlich zu Tränen und untröstlichen Gefühlen führen kann.
Perfekten Sex gibt es nicht
Es gibt auch Paare, die den Druck nicht ertragen, der von Zeitschriften, Filmen und einschlägigen Geschichten ihrer Freunde über ‘perfekten Sex’ ausgeht. Sie haben dann ein klares Bild davon im Kopf, wie idealer Sex aussehen sollte und ärgern sich, wenn ihr eigenes Sexleben nicht diesen Vorstellungen entspricht. Anstelle zu akzeptieren, dass Sex nicht immer spektakulär sein kann, zweifeln sie an sich selbst und an ihrer Beziehung.
Das Einzige, was in einer solchen Situation hilft, ist Kommunikation. Traue dich, dich dem anderen zu öffnen, besprecht eure Unsicherheiten und Zweifel und findet gemeinsam einen Weg, damit ihr den Sex wieder genießen könnt; ohne irgendwelche unrealistischen Erwartungen, die euch den Spaß am Sex rauben.
Postkoitale Dysphorie
Bei manchen Menschen ist die Ursache allerdings nicht so leicht zu ergründen. Sie sind weder enttäuscht noch kämpfen sie mit Beziehungsproblemen und auch der Sex ist gut. Sollte dies auch auf dich zutreffen, könntest du eventuell an postkoitaler Dysphorie (PCD) leiden.
Dieses Leiden ist eher unbekannt, laut Wissenschaft bekommen allerdings bis zu 5% der Frauen und 3% der Männer ab und zu damit zu tun. Unterschiedliche Studien konnten zeigen, dass fast die Hälfte aller Frauen wenigstens einmal im Leben PCD mitgemacht haben, dass 5-10% im letzten Monat darunter gelitten haben und dass etwa 2% ziemlich regelmäßig damit kämpfen.
Ursachen von PCD
Das Auffällige an PCD ist, dass ihr keine negativen Erlebnisse zugrunde liegen müssen. Männer und Frauen, die regelmäßig ein Gefühl der Leere, Trauer oder auch Aggression nach dem Orgasmus empfinden, haben meistens keinen schlechten Sex. Im Gegenteil. Der Sex kann sogar sehr aufregend und befriedigend sein und trotzdem sind die Betreffenden anschließend verwirrt, ängstlich oder weinerlich. Dieses unangenehme Gefühl kann einige Minuten lang anhalten, bei anderen kann es aber auch stundenlang nachwirken.
Zu den Ursachen existieren zahlreiche Theorien. So soll dies z.B. öfter bei Personen auftreten, die sowieso schon mit mentalen Problemen wie Depressionen und Angststörungen kämpfen. Eine australische Untersuchung mit 1200 Männern kam z.B. zu dem Ergebnis, dass die Teilnehmer, die in der Vergangenheit bereits mit Depressionen oder Angst gekämpft hatten, häufiger mit PCD konfrontiert waren. Allerdings können auch erbliche oder charakterliche Faktoren eine Rolle spielen. Menschen, die von Natur aus eher nahe am Wasser gebaut sind, werden auch nach dem Sex leichter von starken Emotionen übermannt werden.
Trauma als Auslöser
Ein weiterer Auslöser für PCD kann Missbrauch oder ein nicht verarbeitetes Trauma aus der Vergangenheit sein. Unterschiedliche Untersuchungen konnten zeigen, dass emotionaler, körperlicher oder sexueller Missbrauch in der Kindheit später zu sexuellen Problemen führen kann. Obwohl diese Untersuchungen nicht speziell auf PCD abzielten, so brachte die australische Studie doch ans Licht, dass Männer mit nicht verarbeiteten Traumata anfälliger waren.
Das überrascht auch nicht. Während des Sex oder nach einem Orgasmus befindet man sich in einer sehr verletzlichen Position. In einem solchen Moment sind die Emotionen ungebremst und können aus allen verborgenen Winkeln des Gehirns nach oben kommen. Somit kann Sex ein starker Auslöser für unterbewusste Erinnerungen an nicht verarbeitete Traumata aus der Vergangenheit sein.
Kämpfst du mit deinen Gefühlen nach dem Sex und hast den Eindruck, dass du es alleine – und auch mit dem Partner – nicht schaffst, diese zu bewältigen? Dann ist es sicher empfehlenswert, sich an einen guten Sextherapeuten zu wenden, der oder die dir dabei helfen kann, deine Gefühle besser zu kanalisieren.
Tipps!
Natürlich kannst du aber zuerst selbst versuchen, mit deinen Gefühlen zurecht zu kommen. Wenn du feststellst, dass deine Heulanfälle nach dem Sex dein Sexleben negativ beeinflussen, könntest du mit den folgenden Tipps experimentieren:
• Reden, reden, reden!
Heftige Emotionen nach dem Sex haben in vielen Fällen nichts mit deiner Beziehung oder deinen Gefühlen für deinen Partner zu tun. Sie beeinflussen aber sehr wahrscheinlich eure Zweisamkeit. Dann hat es keinen Sinn, dies einfach totzuschweigen. So wird nur noch mehr Unverständnis und Unsicherheit zwischen euch entstehen. Wenn ihr zusammen darüber sprecht, könnt ihr vermeiden, dass das Problem größer wird und zwischen euch steht.
• Fürchte dich nicht vor negativen Gefühlen
Gerate nicht sofort in Panik, wenn Tränen fließen, sondern versuche es möglichst locker zu nehmen. Mache einen Scherz darüber oder lasse dich einfach völlig gehen. Je stärker du gegen deine Gefühle kämpfst, desto mehr werden sie sich gegen dich wenden.
• Suche dir Hilfe
Hast du die Vermutung, dass deine emotionalen Ausbrüche auf nicht verarbeiteten Erlebnissen beruhen? Oder ist das Problem schon so groß geworden, dass deine Beziehung und dein Sexleben auf dem Spiel stehen? Dann ist es höchste Zeit, dir Hilfe zu suchen. Du solltest darüber nachdenken, mit einem Sextherapeuten darüber zu sprechen. Er oder sie wird dir dabei helfen können, eventuelle Traumata zu ergründen und zu verarbeiten. Vielleicht kann er oder sie dich auch noch anderweitig unterstützen, damit du lernst, besser mit deinem Post-Sex-Blues umzugehen.
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