Nur langweilige Menschen haben Vanilla-Sex. Oder nicht?
Langweilige Menschen essen Vanille-Eis. Und langweilige Menschen haben auch Vanilla-Sex. Also eine ziemlich softe, wenig aufregende Form von Sex, bei der vor allem viel gekuschelt wird und sehr vorhersehbare Missionarsstellungen betrieben werden. Ist aber Vanilla-Sex wirklich so langweilig? Und warum hat er einen so schlechten Ruf?
Was ist Vanilla-Sex?
Der Begriff Vanilla-Sex stammt aus dem englischen Sprachraum und wird dort bereits seit den 70er Jahren in kinky Gemeinschaften verwendet. Mit ihm wird konventioneller Sex angedeutet, da Vanille bei den Eissorten die absolute Standardgeschmacksrichtung darstellt. Vanilla-Sex ist somit das Gegenstück zum Kinky oder Experimentellen Sex.
Das klingt natürlich etwas negativ, so eine Standardsache ganz ohne Extras, nichts Spezielles oder Überraschendes. Denn wir wissen alle, wie sicher man mit Vanille als Geschmack geht. Für viele Menschen ist es zudem die erste Art von Sex, die sie erleben. Ganz einfach deswegen, weil sie noch keine Ahnung von den anderen Geschmacksrichtungen des Sex-Spektrums haben.
Vanilla-Sex ist somit das Gegenstück zum Kinky oder Experimentellen Sex.
Ganz altmodisch die Liebe betreiben
Überträgt man dies auf Sex, landet man bei sanftem, sicheren und stillem Bettvergnügen. Bei Vanilla-Sex braucht man keine Spielchen, Kostüme, Bondage oder Rollenspiele erwarten. Vanilla-Sex findet im Bett statt, gemütlich auf einem kuscheligen Laken und hinter verschlossenen Gardinen.
Vanilla-Sex findet zudem meistens in festen Beziehungen statt. Es wird viel gekuschelt, gestreichelt und geküsst, und es gibt nur wenig Raum für Stellungen oder Experimente. Ganz im Gegenteil sogar: Die Missionarsstellung, bei der man sich tief in die Augen sehen kann, ist die beliebteste Stellung des Vanilla-Fans.
Also einfach zwei nackte Körper aufeinander, die die Liebe auf geradezu altmodische Weise betreiben.
Das bedeutet aber nicht, dass Menschen, die gerne diese Form von Sex betreiben, keine Leidenschaft besitzen würden. Sie sind oft sogar ganz besonders romantisch. Sie verspüren nur eben weniger das Bedürfnis nach externen Reizen, komplizierten Stellungen und erotischen Hilfsmitteln. Also einfach zwei nackte Körper aufeinander, die die Liebe auf geradezu altmodische Weise betreiben. Das ist Vanille-Sex in seiner Reinform.
Warum hat der Vanilla-Sex einen so schlechten Ruf?
Da Vanilla-Sex ein eher langweiliges Image besitzt, schämen sich echte Vanilla-Fans ein bisschen für ihre Vorliebe. Weil sie eben für ein wenig Sex nicht gleich alles Mögliche in Bewegung setzen wollen. Und vielleicht haben sie sogar noch nie etwas anderes gemacht, als den plain, old missionary.
Kinky Sex ist cool, Vanilla-Sex dagegen ziemlich brav. Und wer möchte schon gerne als brav gelten? Und unser Drang, sich mit anderen zu vergleichen, macht es auch nicht gerade leichter. Wir orientieren uns ständig an anderen, egal ob es um unseren Körper, die Kleidung, Urlaube, Arbeit oder unser Heim geht. Und eben auch beim Sex.
Die Messlatte
Da wir aber noch immer nicht sehr offen über Sex sprechen und schon gar nicht, wenn wir glauben, dabei von der herrschenden Norm abzuweichen, klammern wir uns immer wieder an irgendwelche Strohhalme. Wir suchen nach einer Messlatte für unser Sexleben. Ist es normal, was wir machen? Könnte es aufregender sein oder fantasievoller?
Diese Messlatte wird zudem ständig von den Medien angewendet. Wie gesagt, findet sich der Ursprung des Begriffs Vanilla-Sex in der Kinky-Szene. Dort wurde die Vorstellung geboren, dass Vanilla-Sex das langweilige Schwesterchen des Kinky Sex ist. Und diese Vorstellung wird in Filmen, Serien und anderen Medien sehr stark unterstrichen.
Von Friends bis Porno
Das geschieht im Kleinen, z.B. bei Friends, wenn Phoebe an der Geschichte zweifelt, dass Rachel ein Mädchen geküsst hat, weil sie so ‘Vanilla’ ist. Im Rest der Folge versucht dann Rachel mit allen Mitteln zu beweisen, dass sie sehr wohl mit einer Schulfreundin geknutscht hat, denn: ‘I’m not vanilla, I’ve done lots of crazy things!’
Und es geschieht auch im Großem wie etwa in Filmen, wenn Körper wie wild gegen Wände gedrückt werden. Auch in Pornos ist immer wieder wilder, grenzwertiger Sex zu sehen, der nicht gerade sehr realistisch ist. Und wenn man schon von Natur aus nicht so der Typ für Kinky Stuff oder Sexspielzeug ist, kann man sehr leicht dem Gedanken verfallen, dass die eigenen sexuellen Vorlieben ziemlich fantasielos sind. Entsprechende Bilder verankern sich im Gedächtnis und sorgen für Zweifel und bestimmte Erwartungen.
Das ist sehr schade, denn obwohl Kinky, wilder oder experimenteller Sex fraglos wunderbar sein kann, gibt es auch am ganz intimen Zusammensein ohne jeglichen Schnickschnack nichts auszusetzen. Wenn man dann durch irgendwelche äußeren Faktoren auf einmal anfängt an seinem Sexleben zu zweifeln, ist das ganz besonders schade.
Es ist nichts Falsch an deinen Vorlieben. Und wenn du durch externe Faktoren an deinem Sexleben zweifeln solltest, wäre das sehr schade.
Warum ist Vanilla-Sex insgeheim einfach wunderbar?
Denn was für alle Arten des Sex gilt, gilt auch für Vanilla-Sex. Gefällt er dir und du verspürst keinerlei Bedürfnis nach irgendwelchen extravaganten Extras? Good for you, denn an einem Vanilla-Sexleben ist nichts falsch. Im Gegenteil, Vanilla-Sex bietet sogar jede Menge Vorteile.
Da man sich dabei so viel streichelt, fühlt, küsst, zusammen kuschelt und sich leckt, werden entsprechend große Mengen an Oxytocin freigesetzt. Dieses Kuschelhormon verstärkt das Gefühl der Liebe und des Vertrauens, das man für den Partner empfindet. Auch Blickkontakt und liebevolle Worte führen dazu, dass man sich stärker verbunden fühlt.
Mehr als nur schnelles Rein-Raus
Bei Vanilla-Sex geht es deshalb um mehr als nur ein schnelles Rein-Raus. Es geht um sanften und zärtlichen Sex, bei dem die Sinne gereizt werden; um den langsamen Aufbau und Blicke, die einander nicht mehr loslassen. Oder um sinnliche Massagen, bei denen alle Körperteile sanft einbezogen werden.
Massageöl, Kerzen oder sanfte Kissen können den Genuss noch verstärken, obwohl zusätzliche Reize an sich gar nicht benötigt werden. Bei Vanilla-Sex reicht einem schon der Geruch des anderen, seine Berührungen und Körperwärme. Langweilig? Keineswegs.
Tiefe Liebe
Weil ihr euch einander zuwendet, wird auch der Kontakt zwischen euch tiefer sein, ihr könnt den Blick des anderen nicht ignorieren. Gefühle kommen hoch und es wird nicht mehr nur um reinen sexuellen Genuss und einen Orgasmus gehen. Es geht um den Moment, denn ihr gerade zusammen teilt.
Viele Menschen sehen den Vanilla-Sex deshalb auch als eine Form der tiefen Liebe. Sie reservieren ihn für Menschen, mit denen sie wirklich sehr eng verbunden sind und erleben wilden, abenteuerlichen Sex lieber während eines willkürlichen One-Night-Stands.
Viele Menschen sehen den Vanilla-Sex deshalb auch als eine Form der tiefen Liebe.
Schließlich ist man während des Sex sehr verwundbar und wie verrückt es auch klingen mag: Manchmal ist man verwundbarer, wenn man sich gegenseitig in die Augen sieht, als wenn man splitternackt im Doggy Style genommen wird. Ohne jegliches umgebendes Brimborium entsteht Raum für eine emotionale und manchmal sogar spirituelle Verbindung und genau das macht den Vanilla-Sex zu so etwas Besonderem.
Was, wenn man etwas anderes möchte?
Natürlich hat jeder so seine ganz persönlichen sexuellen Vorlieben. Es gibt z.B. Menschen, die nur auf ganz konventionelle Weise Sex haben möchten, andere wünschen sich dagegen vielleicht etwas mehr Abenteuer im Bett. Oder auf dem Küchentisch. Oder im Wald.
Das muss auch kein Problem sein, solange man dies mit dem Partner gut besprechen kann. Hast du einen Partner, der echt Vanilla ist, du würdest aber gerne etwas Kokos oder Papaya hinzumischen? Dann solltest du mitteilen, was dir an eurem Sexleben gefällt und auch Dinge nennen bzw. vorschlagen, die es noch etwas würziger machen könnten.
Hast du einen Partner, der echt Vanilla ist, du würdest aber gerne etwas Kokos oder Papaya hinzumischen? Dann sprecht darüber.
Sprecht mit einem Sextherapeut
Niemand kann Gedanken lesen, und darum ist es so wichtig, dass man sich traut, seine eigenen Bedürfnisse dem Partner auch mitzuteilen. Manchmal entdeckt man, dass man nicht die gleichen Bedürfnisse hat. Oder dass die persönlichen Vorlieben doch ziemlich weit voneinander entfernt sind, wodurch es dem Partner schwerfällt, auf den anderen zuzugehen.
Falls dies der Fall sein sollte, könnte es klug sein, mit einem Sextherapeuten darüber zu sprechen. Es wäre doch sehr schade, wenn eine ansonsten sehr liebevolle Beziehung stranden würde, nur weil eure sexuellen Bedürfnisse nicht übereinkommen.
Wirklich spektakulär!
Egal, was ihr auch macht, ihr solltet nie vergessen, dass es einen großen Unterschied zwischen Vanilla-Sex und mittelmäßigem Sex gibt. Vanilla-Sex kann wirklich spektakulär sein, wenn damit sowohl deine intimen als auch deine emotionalen Zonen sehr liebevoll erreicht werden.
Sex ist also keine Frage von ‘je extremer, desto besser’. Manchmal ist ein bisschen Vanilla genau das, was man braucht.
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