Schon einmal etwas vom Bindungstyp gehört?
Reagierst du sehr empfindlich auf die Stimmung deines Partners? Gehst du einer Diskussion eher aus dem Weg und entschuldigst dich lieber, auch wenn es gar nicht deine Schuld war? Oder gehst du ganz im Gegenteil gleich zum Angriff über, weil so ein ordentlicher Streit die Luft wieder klärt? Wie man mit dem Partner umgeht, hängt vom eigenen Bindungstyp ab. Welcher Bindungstyp du bist, hat etwas mit deiner Kindheit zu tun. Und was genau sind eigentlich Bindungstypen? Das erfährst du hier!
Was sind Bindungstypen?
Ein Bindungstyp, zu Englisch attachment theory, ist die Art und Weise, wie du eine Bindung eingehst. Es gibt unterschiedliche Bindungstypen, die wir hier näher erklären möchten. Der Begriff attachment theory wurde in den 40er und 50er Jahren zum ersten Mal vom britischen Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby verwendet. Er untersuchte die Wirkung einer Scheidung auf Eltern und Kinder und kam zu dem Ergebnis, dass die Erziehung in großem Maße bestimmt, wie man sich im späteren Leben an andere bindet. Kinder, die viel umarmt werden, binden sich anders an andere Menschen als z.B. Kinder, die in einer unsicheren Umgebung aufwachsen. Dies beeinflusst auch direkt, wie sich ein Kind später verhält. Die Untersuchungen von Bowlby spielen in der Psychiatrie eine wichtige Rolle.
Welche Bindungstypen gibt es?
Bowlby unterscheidet zwischen drei Bindungstypen. Andere Forscher fügten später noch einen vierten hinzu.
Sicherer Bindungstyp
Die allermeisten Kinder (und späteren Erwachsenen) besitzen diesen Bindungstyp. Und das ist gut, denn es sind Kinder, die lernen und darauf vertrauen, dass ihre Eltern oder ihr Versorger wieder zurückkommt, wenn er für eine Weile weg gewesen ist. Kinder mit sicherem Bindungstyp finden es angenehm, bei ihrem Versorger zu sein, fürchten sich aber auch nicht, die Welt zu entdecken, wenn der- oder diejenige wieder zurück ist. Die Eltern sind offen und sensibel für Annäherungen ihres Kindes. Erwachsene mit sicherem Bindungsstil verfügen über die beste Widerstandskraft im weiteren Leben.
Ängstlicher Bindungstyp
Wenn man als Kind viel Stress durch das inkonsequente und unberechenbare Verhalten der Eltern hat, kann man sich leicht vorstellen, dass solche Kinder (später im Erwachsenenalter) einen ängstlichen Bindungstyp entwickeln. Diese Kinder haben ein viel stärkeres Bedürfnis, bei ihrem Versorger zu sein und machen fast gar nichts ohne ihn oder sie. Wenn der Versorger aber weggeht und dann wieder zurückkehrt, kann das Kind versuchen, den betreffenden zu bestrafen, indem es ihn oder sie ignoriert oder sich schlecht benimmt. Eltern sind oft bei den wichtigsten Momenten ihres Kind nicht anwesend.
Vermeidender Bindungstyp
Es gibt auch eine Gruppe von Menschen, die als Kind keinen Stress empfunden haben, wenn sie der Versorger verlassen hat. Der Grund dafür ist eher traurig: Solche Kinder wachsen mit Eltern oder einem Versorger auf, der nur wenig Zuneigung zeigt und sich sehr distanziert verhält. Die Kinder werden in einem solchen Fall recht schnell selbstständig, weil die Eltern oft abweisend reagieren. Kinder mit diesem Hintergrund entwickeln oft einen vermeidenden Bindungstyp. Dazu gehört, dass es ihnen schwerfällt, Emotionen zu zeigen.
Wie bereits erwähnt, wurde später noch ein vierter Bindungstyp definiert. Er wird in der Theorie von Ainsworth beschrieben. Diese Theorie, die von der amerikanischen Psychologin Mary Ainsworth entwickelt wurde, baut auf der Theorie von Bowlby auf. Die beiden haben auch zusammen gearbeitet.
Desorganisierter Bindungstyp
Der desorganisierte Bindungstyp ist typisch für Kinder, die mit Eltern aufwachsen, die inkonsequent sind. Ein Kind sucht nach Nähe, auch wenn dies zu Stress und Angst führt, denn es kann dabei zu einschneidenden Ereignissen kommen. Der Kontakt mit den Eltern bzw. dem Versorger ist oft unberechenbar oder sogar gefährlich. Das Kind lernt dadurch, dass das Leben unorganisiert und unsicher ist und kann nicht damit umgehen, wenn es (vorübergehend) von seinem Versorger getrennt wird.
Wie sich Bindungstypen auf die Beziehung(en) auswirken
Wenn man in einer unsicheren Umgebung aufwächst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man eine andere Bindung zu seinem Partner hat wie jemand, der sich immer geliebt gefühlt hat. Man sollte aber auch wissen, dass man auch dann eine stabile Beziehung mit einem Partner und seinen Kindern aufbauen kann, wenn man in unsicheren Verhältnissen aufgewachsen ist. Zu wissen, welchen Bindungstyp man hat, wird einem dabei helfen, besser zu verstehen, warum man auf bestimmte Situationen auf bestimmte Art reagiert.
Beziehung mit sicherem Bindungstyp
Erwachsene mit sicherem Bindungstyp führen oft eine befriedigende Beziehung. Sie fühlen sich sicher und mit dem Partner verbunden und empfinden nicht das Bedürfnis, konstant zusammen sein zu müssen. Die zentralen Werte einer solchen Beziehung sind: Ehrlichkeit, Unterstützung, emotionale Bindung und Unabhängigkeit.
Beziehung mit ängstlichem Bindungstyp
Wenn einer der Partner einen ängstlichen Bindungstyp hat, kann sich dies auf zweierlei Art bemerkbar machen: Man hängt sehr am Partner und stößt den Partner oft gerade durch diese übertriebene Anhänglichkeit und das zugehörige seltsame und irritierende Verhalten ab. Jemand mit ängstlichem Bindungstyp hat oft ein geradezu verzweifeltes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Liebe und hat das Gefühl, dass der Partner ihn oder sie komplettieren und ‘heilen’ muss. Das kann sich in Form von Eifersucht und Abhängigkeit äußern und die Betreffenden sind oft auch sehr verlangend und lassen sich schon von Kleinigkeiten aus der Ruhe bringen.
Beziehung mit vermeidendem Bindungstyp
Hat einer von euch einen vermeidenden Bindungsty? Dann wird derjenige vermutlich etwas distanzierter als der andere sein. Menschen mit diesem Bindungstyp sind lieber allein und unabhängig und mögen es nicht, ihr Innerstes dem Partner zu offenbaren. Sie können das Gefühl haben, keinen Kontakt mit anderen Menschen zu benötigen, um sich gut zu fühlen. Falls sich ein Szenario abzeichnet, durch das der Betreffende gekränkt/verletzt werden könnte, kann er oder sie sich vollkommen emotional zurückziehen.
Beziehung mit desorganisiertem Bindungstyp
Hat man einen desorganisierten Bindungstyp, kann es einem schwerfallen, seine Emotionen zu zeigen; genau wie beim vermeidenden Bindungstyp. In einem solchen Fall ist vor allem Unsicherheit die Ursache: Die Emotionen können einen leicht überwältigen. Erwachsene mit diesem Bindungstyp können möglicherweise sehr unerwartet reagieren und an Stimmungsschwankungen leiden; sie fürchten sich zudem, vom Partner gekränkt zu werden. Mit diesem Bindungstyp kann es schwer sein, eine gesunde Beziehung aufzubauen.
Wie kann man an seinem oder euren Bindungstypen arbeiten?
Man sollte sich bewusst werden, dass es sich bei Bindungstypen nicht um Charakterzüge handelt. Damit wird eher ein Typ Mensch beschrieben, was einem dabei helfen kann zu verstehen, warum jemand so reagiert wie er oder sie reagiert. Mit Hilfe dieser Einsichten kann man bestimmen, wie man z.B. besser miteinander dikutieren oder Probleme mit dem Partner besprechen kann.
Menschen mit ängstlichem Bindungstyp können eine irreale Angst davor haben, dass ihr Partner die Beziehung nach einem Streit beenden könnte. Und jemand mit vermeidendem Bindungstyp kann so stark konfliktvermeidend sein, dass Probleme in der Beziehung niemals zur Sprache kommen. Man kann diese Probleme selbst angehen, allerdings kann es sicher auch nicht schaden, sich hierbei professionelle Hilfe zu suchen. Ein Beziehungstherapeut kann einem dabei sehr gut unterstützen.
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