Warum man mit der Tochter über Sexualität sprechen sollte
Mit der eigenen Tochter über Sexualität sprechen: Das ist vielleicht etwas, das dir widerstrebt, es ist aber ungeheuer wichtig. Ihr Körper verändert sich, vielleicht verliebt sie sich zum ersten Mal und entwickelt sexuelle Gefühle. Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass Sex heute im Internet sehr einfach zu finden ist, mit allen zugehörigen Risiken. Darum sollte sie darauf gut vorbereitet sein.
Wenig sexuelle Aufklärung an Schulen und zu Hause
Untersuchungen des Wissenszentrums für Sexualität Rutgers und auch eines TV-Jugendsenders haben ergeben, dass dem Thema Sexualität in der Schule nur wenig Beachtung geschenkt wird. Nur 33% der Kinder hatte im Unterricht etwas über die Veränderungen des Körpers in der Pubertät gehört. Und was sexuelle Grenzen betrifft, liegt dieser Prozentsatz noch niedriger: Hierzu hatten nur 25% der Schüler Unterricht. Die gleiche Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass 49 bis 59% der Kinder mit den Eltern über diese Themen gesprochen hatte. Jedoch hatten 30% mit niemandem darüber gesprochen. Viele Kinder erhalten also keine (ausreichende) sexuelle Aufklärung oder sie trauen sich nicht oder können nicht mit jemandem darüber sprechen.
Von Romantikkomödien zu Porno
Früher haben wir uns noch die herrlich kitschigen romantischen Filme angeschaut, in denen das etwas unbeholfene Mädchen am Ende doch noch den tollen Footballspieler bekommt. Heute bestimmt aber das Internet unser ganzes Leben. Alles ist direkt abrufbar: Social Media, Dating-Apps, Chatrooms und Porno. Vor allem letzteres verändert heute die Wahrnehmung der Jugend von Sex. Darum ist es umso wichtiger, mit der eigenen Tochter über Sexualität zu sprechen und alles, was dazu gehört.
Mit der Tochter über Sexualität sprechen
Der sich verändernde Körper in der Pubertät, Fortpflanzung, Zustimmung, Liebe, Druck: es gibt zahllose Dinge, die man mit seiner Tochter besprechen sollte, wenn man sie aufklärt.
Sexuelle Aufklärung: In welchem Alter?
Wartest du damit, bis es deine Tochter in der Schule hatte? Oder bis sie selbst dir gegenüber das Thema anschneidet? Dann wählst du natürlich den Weg des geringsten Widerstandes. Nach Meinung der Sexologin Eveline Stallaart, unterschätzen Eltern das Alter, in dem Kinder die wichtigsten Dinge bereits wissen. Darum kann es sicher nicht schaden, schon Kleinkindern zu erzählen, dass Babys entstehen, wenn zwei Erwachsene mit einander ‘Kuscheln’ oder einem 7-jährigen Kind mit Hilfe eines guten Aufklärungsbuches alles zu erklären. Kinder sind neugierig: Sie wollen aber meistens nicht, dass ihre Eltern das wissen.
Die meisten 7- bis 8-Jährigen wissen bereits, dass Geschlechtsverkehr nötig ist, um schwanger zu werden. Und ab dem 9 Lebensjahr wissen sehr viele schon, dass Menschen Sex auch aus anderen Gründen haben. Je älter die Kinder werden, desto mehr Informationen kann man ihnen geben, z.B. welche unterschiedlichen Verhütungsmittel es gibt. Auf diese Weise arbeitest du an der sexuellen Gesundheit deiner Tochter.
In Richtung Pubertät
Ihr Körper verändert sich: Deine Tochter kommt in die Pubertät. Das geschieht meistens im Alter von etwa 11 Jahren. Haare wachsen im Schambereich, auf den Beinen und unter den Achseln, die Brüste entwickeln sich und die Mädchen haben meistens zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ihre erste Periode. Das kann aber auch einige Jahre früher oder später sein. Deine Tochter wird also eine junge Frau! Darum ist es wichtig, ihr alles über die Möglichkeiten rund um die Menstruation zu erzählen, damit sie selbst wählen kann, was sie verwenden möchte, wenn es soweit ist. Sage ihr, dass die Menstruation nichts ist, wofür man sich schämen müsste und hilf ihr beim Kaufen der richtigen Menstruationscups, Monatsbinden oder Tampons. Dann muss sie sich nicht unsicher fühlen, dass vielleicht etwas durchleckt.
Aber nicht nur der Körper verändert sich in der Pubertät: Auch ihr Gehirn entwickelt sich weiter. Durch die vielen aktiven Hormone wechseln sich die Emotionen oft sehr schnell ab. Du kannst deiner Tochter erzählen, dass es ganz normal ist, sich im einen Moment glücklich zu fühlen und schon kurz darauf unsicher und traurig. Verliebtheit und Sexualität werden ebenfalls durch Hormone gesteuert.
Sexualität und Intimität
Deborah Roffman, Autorin von Talk to Me First: Everything You Need to Know to Become Your Kids Go-To Person About Sex: “Wenn wir wollen, dass unsere Kinder verstehen, dass Sexualität mit Intimität verbunden ist, können wir am besten schon jungen Kindern (unter 10 Jahren) beibringen, wie körperliche und emotionale Intimität miteinander verbunden ist. Das könnte geschehen, indem man über das angenehme Gefühl spricht, das man beim Kuscheln erlebt: es sorgt dafür, dass sich ein Kind sicher, geliebt und beschützt fühlt. Dieser physische Kontakt ist das genaue Gegenteil von dem, was man in Pornos sieht.”
Eine Analyse von Pornos aus dem Jahr 2010 konnte zeigen, dass 88% aller Szenen verbale- und physische Aggressivität gegenüber Frauen zeigen: Männer, die schlagen, schreien und Frauen würgen und gleichzeitig natürlich auch Schauspielerinnen, die so tun, als würden sie all dies genießen. Eine britische Untersuchung unter Jugendlichen zeigte, dass 53% der Jungens denkt, dass Porno realistisch wäre. Bei den Mädchen liegt der Prozentsatz niedriger: 39%. Obwohl 41% der Kinder Neugier zeigten, als sie das erste Mal einen Porno sahen, gab es auch viele negative Reaktionen: schockiert (27%), verwirrt (24%) und 23% nannte das Gesehene sogar widerlich. Trotzdem wollen 39% der 13- und 14-jährigen Jungen das nachmachen, was sie in Pornofilmen gesehen haben, während die meisten befragten Mädchen sich eher darüber Sorgen machten. Ein 13-jähriges Mädchen sagte. “Sie können uns Mädchen dazu zwingen, Dinge (auf bestimmte Weise) zu tun, für die wir noch nicht bereit sind.” Ein anderes junges Mädchen sagte. “Mir wird ganz schlecht, wenn ich mir vorstelle, dass meine Eltern so etwas Gewalttätiges miteinander machen.”
Mit der Tochter über Sexualität sprechen – Die Gefahren von Porno und Sexting
Dass viele Eltern heute die sexuelle Aufklärung scheuen, kommt durch die neuen Formen des Sex wie z.B. Porno und Sexting. Für deine Tochter ist es aber trotzdem sehr wichtig zu wissen, dass Porno etwas völlig anderes ist als liebevoller Sex und dass das Verschicken von Nacktfotos große Folgen für den Rest des ganzen Lebens haben kann. Indem du mit ihr darüber sprichst, schützt du sie.
Wie wir weiter oben bereits geschrieben haben, denken viele Jugendliche, dass Sex das wäre, was sie in Pornofilmen sehen. Das denken sowohl die Jungen als auch die Mädchen. Deine Aufgabe als Mutter oder Vater ist es, deiner Tochter (und auch deinem Sohn) zu zeigen, dass dem nicht so ist. Sie müssen wissen, dass auch Mädchen Sex genießen können und wollen. Dass auch sie Recht auf einen Orgasmus haben und dass sich dieser nicht über Penetration alleine erreichen lässt. Außerdem kann Porno zur Sucht werden. Wenn Jugendliche immer Pornos anschauen, wenn sie masturbieren, wird sich ihr Gehirn daran gewöhnen. Das kann dazu führen, dass Jugendliche sexuelle Probleme bekommen, wenn für sie normaler Sex mit einem normalen Jungen oder Mädchen nicht mehr aufregend genug ist.
Das Folgende erleben viele Mädchen: Der Junge, den sie toll finden, bittet sie um ein Foto ihrer nackten Brüste. Sie schickt ihm dann ein Foto und das wird anschließend über WhatsApp, in der Schule und wer weiß noch wo überall verbreitet. Sexting in jungen Jahren ist nie eine gute Idee. Schon gar nicht dann, wenn ein Junge damit droht, dass er dich sonst nicht mehr mag. Ein Foto, das einmal online gegangen ist, ist fast unmöglich wieder zu löschen und wird immer wieder irgendwo auftauchen, sogar zusammen mit deinem Namen. Es gibt sogar junge Mädchen, die Selbstmord begangen haben, weil von ihnen ein Nacktfoto in Umlauf gekommen ist.
Zustimmung
Consent, Zustimmung, ist etwas äußerst Wichtiges. Sie ist sogar so wichtig, das Sex ohne Zustimmung nach Meinung juristischer Kreise strafbar sein sollte. Deine Tochter muss – unbedingt! – wissen, dass sie jederzeit nein sagen darf, auch dann, wenn sie bereits mit ihrem Freund nackt im Bett liegt. Auch dann, wenn sie gesagt hat, für ihr erstes Mal bereit zu sein. Auch dann, wenn ihr Freund Oralsex von ihr möchte, sie das aber nicht will. Wenn er dann versucht, sie zu zwingen, wird ihr vielleicht aufgehen, dass er doch nicht der Traumprinz ist. Zudem ist es nicht nur wichtig, seiner Tochter deutlich zu machen, dass sie ‘nein’ sagen darf. Auch ein deutliches ‘ja’ sollte sie sich trauen auszusprechen, wenn sie gerne Sex möchte.
Deine Gefühle sind völlig in Ordnung
Achte darauf, dass sich deine Tochter nicht für ihre Gefühle schämt, wenn du mit ihr über Sexualität sprechen möchtest. Betone, dass du es verstehst, dass es ein spannendes und aufregendes Thema ist und dass du weißt, wie sich dieses Kribbeln im Bauch anfühlt, wie es ist, zum ersten Mal zu masturbieren oder zu küssen oder heimlich Pornos zu schauen, sich in jemanden zu verknallen, vielleicht vom gleichen Geschlecht, und wie es ist, das erste Mal Sex zu haben. Betone, dass ihre Gefühle ganz normal sind und dass sie sie auch haben darf. Es ist aber ebenfalls völlig normal, wenn man als junger Jugendlicher noch überhaupt kein Interesse an Sexualität verspürt.
Mit der Tochter über Sexualität sprechen: Wo und wie?
Roffman rät Eltern dazu, ein solches Gespräch in einem möglichst ungezwungenen privaten Moment zu führen. Z.B. während einer Autofahrt oder bei einem Spaziergang. Dann wird sich das Gespräch weniger intensiv anfühlen, weil man sich dabei nicht in die Augen sieht. Du solltest zudem versuchen, ein echtes Gespräch daraus zu machen und keine Unterrichtsstunde über Dinge, die erlaubt oder nicht erlaubt sind. Zudem solltest du dabei ganz ruhig bleiben, damit deine Tochter nicht den Eindruck bekommt, dass sie für etwas bestraft wird.
Jugendliche versuchen oft ein Gespräch mit den Eltern über Sex um jeden Preis zu vermeiden. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht zuhören würden, nur weil sie keine Reaktion zeigen. Außerdem schadet es nicht zuzugeben, dass es auch dir nicht leicht fällt, über z.B. den Unterschied zwischen liebevollem Sex und Porno zu sprechen.
Mit der Tochter über Sexualität sprechen – Circles of Sexuality
Eine noch recht neue Art und Weise der sexuellen Aufklärung sind die Circles of Sexuality. Bei diesem Modell werden alle sexuellen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen angesprochen; auch Dinge wie etwas Body Image, Verhütungsmittel und grenzüberschreitendes Verhalten. In unserem Artikel über die Circles of Sexuality kannst du mehr hierzu lesen.
Antworte oder stelle eine Frage
0 Bemerkungen