“Die Hexe soll die Klappe halten”: Sexismus in der Politik

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Die Hexe soll die Klappe halten. Ein ganz normaler Tweet zu einer politischen Führungsfigur; die zudem eine Frau ist, das wollen wir hier nicht vergessen. Frauen werden nach wie vor systematisch abgekanzelt, wenn sie sich trauen, ihre Meinung zu äußern. Woher kommt das aber? Und wie erkennt man den Sexismus in der Politik und den Medien, der all dem zugrunde liegt?

Sexismus erkennen und ausrotten

Weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Check. Ungerechte Verteilung der Aufgaben im Haushalt? Check. Sexismus auf der Straße, bei der Arbeit und in den Medien? Doppelt check. Frauen werden in unserer Gesellschaft anders behandelt, und das äußert sich in zahlreichen Facetten. Oft bemerken wir es nicht einmal. Denn wir sind bereits daran gewöhnt oder befürchten, wir könnte als nörglerisch bezeichnet werden, wenn wir uns beklagen.

Online Sexismus

Am sichtbarsten wird Sexismus und Frauenhass im Internet. Politikerinnen und weibliche Medienpersönlichkeiten sind deutlich häufiger das Ziel von Hohn, Spott, Einschüchterung und Aggression als Männer. Frauen, die sich in Debatten einmischen, werden darum mit jeder Menge sexistischem Dreck überzogen. Dabei geht es in der Regel nie um Inhalte, sondern vor allem um die Tatsache, dass man eine Frau ist, die sich traut, ihre Meinung zu sagen. ‘Die muss mal wieder genommen werden’ oder ‘Einmal ordentlich durchvögeln, dann hält sie den Rand’, so klingen die Bemerkungen, die Männer niemals zu hören bekommen.

Natürlich bekommen auch Männer ihr Fett weg. Sie sind korrupt, unzuverlässig oder einfach ein Idiot. Die Hasskampagnen, mit denen Frauen konfrontiert werden, sind aber feindseliger, voller Hass und erniedrigender. Eigentlich sollten Frauen einfach den Mund halten, das ist der Unterton. Das sagt nicht nur alles über das misogyne Denken dieser armseligen Haters, sondern auch etwas darüber, wie Frauen mit Macht und einer eigenen Meinung noch immer unbewusst wahrgenommen werden.

Lies hier mehr zum Thema online Sexismus und wie er sich auf Frauen in der Politik auswirkt.

Stereotype Auffassungen

Der Sexismus wirkt sich darauf aus, auf welche Weise Frauen sich in die Debatte mischen. Und ob sie sich überhaupt in die politische Arena hineinwagen wollen. Natürlich wurden bereits große Fortschritte erzielt, seit dem wir noch nicht einmal stimmen gehen durften, nicht die Herrin über unseren eigenen Bauch waren und die Gläserne Decke wahrhaft unüberwindlich war. Aber trotzdem, stereotype Auffassungen zur Rolle der Frau sind noch lange nicht beseitigt. Die zugrunde liegenden Vorurteile, die oft nur ganz subtil an die Oberfläche kommen, müssen angepackt werden, wenn wir die Position der Frauen wirklich verbessern wollen.

Und das fängt mit dem Erkennen an. Dem Erkennen von Bemerkungen, sogenannten Witzen und sexistischen Kommentaren, die Männer niemals zu hören bekommen. Eben weil sie Männer sind und die Norm repräsentieren.

Findest du mich nett?

Eines der Dinge, über die Frauen in der Politik und den Medien oft stolpern, ist der Sympathiefaktor. Hier ein Beispiel: Als Hilary Clinton 2016 am Rennen um die Präsidentschaft teilnahm, bekam sie jede Menge Unrat um die Ohren geschlagen. Am härtesten gingen ihre Widersacher mit ihrer Persönlichkeit ins Gericht. Hilary war ihrer Meinung nach schrill, schnippisch und unsympathisch und dieses Bild blieb die ganze Zeit über an ihr haften.

Dann wundert es einen auch nicht, dass eiskalt berechnende Spindoctors genau solche Adjektive Frauen anhängen, wenn diese versuchen, nach oben zu kommen. Eine ‘unsympathische’ Frau wird es schließlich nicht sehr weit bringen. Denn ist es nicht wirklich sehr merkwürdig, dass Männer, die konstant sexuellen Dreck absondern, fröhlich Präsident werden können? Aber eine Frau mit einem Mangel an ‘likability’ kann es ganz schnell vergessen?

Mit Argusaugen angeschaut

Diese ungleiche Behandlung ist alive and kicking und sie beeinflusst, wie viele Frauen wir in der Politik und den Medien zu Gesicht bekommen. Forscher der Harvard Universität entdeckten, dass Wähler ‘Powerseeking’ Frauen mit Argusaugen beschauen. Wenn man ambitiös ist und daraus auch kein Geheimnis macht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Sympathiefaktor um einige Punkte absackt. Man muss dazu also nicht einmal besonders unangenehm sein, um sofort das Prädikat ‘unlikable’ zu erhalten, denn es geht dabei eigentlich um die Tatsache, dass man sich einfach nicht ‘weiblich’ benimmt.

Dieser Sympathiefaktor gilt also nicht für Männer. Wenn ein Mann nicht nett ist, sich plump und unhöflich benimmt, dann wird das wohl daran liegen, dass er eine starke Führungspersönlichkeit ist, denn es interessiert ihn nicht, wie andere über ihn denken. Natürlich werden auch Männer nach ihrer ‘likability’ beurteilt. Mit manchen Politikern kann man sich sicher vorstellen, ein Bier trinken zu gehen. Wenn der betreffende Mann aber eben nicht so nonchalant und vertraulich wirkt, wird dies weiter keinen Einfluss darauf haben, wie wir seine Kompetenz beurteilen.

Sich verbiegen

Bei Frauen ist das anders. Wähler werden eine Frau nicht unterstützen, wenn sie nicht bestimmten ‘weiblichen’ Maßstäben entspricht, egal wie qualifiziert sie auch sein mag. Und das Schlimme ist, dass ein solches ‘unlikable’ Narrativ die Wähler ganz unbewusst beeinflusst. Es gab keinen Grund, Clinton nicht zu mögen, wir kennen sie doch gar nicht. Wenn es uns aber nur oft genug eingeredet wird, werden wir sie durchaus beurteilen.

Frauen sind sich dessen bewusst und verbiegen sich deshalb, um so sympathisch wie möglich zu wirken. Auf diese Art und Weise beeinflusst der Sympathiefaktor die Wähler also, beeinflusst die Art und Weise, wie Frauen sich verhalten und profilieren und die Art und Weise, wie Politik betrieben wird.

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Family matters

Dieser Doppelstandard zeigt sich auch in der übertriebenen Aufmerksamkeit, die dem Familienleben von Frauen gewidmet wird. Frauen kämpfen viel öfter als Männer mit dem ‘Man kann es niemals richtig machen’-Prinzip. Wenn sie sich ambitiös und engagiert zeigt, wird sie sicher als Frau und Mutter scheitern. Und wenn sie sich immer für die Familie entscheidet, eignet sie sich eben nicht für die angestrebte Funktion.

Männer müssen sich in diesem Punkt weniger sorgen. Es interessiert fast niemanden, wie sie ihr Familienleben mit ihren beruflichen Ambitionen in Einklang bringen.

Sexismus – 338 Nachrichtenartikel

Die Medien genießen dies in vollen Zügen und machen sich regelmäßig des gendered media reporting schuldig. Wie schlimm es damit steht? Forscher der Utah State University wollten der Sache auf den Grund gehen und vertieften sich dazu in 338 Nachrichtenartikel über Politiker. Sie teilten die Fragestellungen nach unterschiedlichen Themen ein wie z.B. Gender, Familienleben, Führungsqualitäten, männliche gegen weibliche Dinge und sexistische Kommentare.

Was stellte sich heraus? Frauen werden auffällig häufiger zu ihrem Hintergrund befragt, also ihrer Ehe, dem Familienleben und ihrer Persönlichkeit. Ihnen werden ebenfalls öfter Themen wie Armut, Ausbildung, Pflege und soziale Themen vorgelegt, denn all dies wird nach wie vor mit weiblichen Qualitäten wie z.B. Fürsorglichkeit assoziiert. Wirtschaft, Militär oder außenpolitische Fragen? Nee, damit werden die Fräuleins meistens nicht belästigt.

Wo sind die Kinder?!

Das bestätigt auch eine niederländische Grünen-Politikerin. ‘In den zehn Jahren, in denen ich Europapolitikerin war, wollten die Leute meistens nur zwei Dinge von mir wissen. Ob ich mich als Europäerin oder als Niederländerin fühlen würde und gleich im nächsten Satz, wo denn meine Kinder jetzt wären, wenn ich die halbe Woche in Brüssel oder Straßburg sein müsste?’

Als die Politikerin namens Buitenweg einen ihrer männlichen Kollegen fragte, ob er auch Fragen zu seinem Elternschaftsdilemma bekommen würde, war die Antwort wenig überraschend: ‘nein’. Bei Männern dreht sich alles wesentlich seltener um Gender oder sogenannte weibliche Themen, denn in der Politik gelten die Männer eben als die Norm. Sie bekommen Fragen zu ihrer Berufserfahrung und ihren Leistungen, während Frauen stundenlang darüber erzählen dürfen, welche Pläne sie zur Veränderung der Gesellschaft verfolgen, um dann doch mit einer Headline zu enden wie: ‘Als Mutter habe ich genügend Ambitionen

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Die Frau als Hexe

Von Hillary Clinton auf einem Fliegenden Besen bis Sigrid Kaag (niederländische Politikerin), die bei ihrem Rücktritt mit dem Hashtag #hexit konfrontiert wurde: wenn eine Frau zu mächtig, zu intelligent und zu mündig ist, wird sie einfach als ‘Hexe’ betitelt.

Man kann natürlich über entsprechende ‘humorvolle Wortspiele’ lachen, und im Falle von #hexit werden sich ganz sicher zahllose einschlägige Personen vor ihren Bildschirmen köstlich amüsiert haben. Allerdings bedeuten solche Exzesse nichts anderes, dass Frauen mit entsprechenden Qualifikationen knallhart der Mund geschnürt wird.

Verkappter Frauenhass

Denn was bedeutet es, als Hexe gebrandmarkt zu werden? Woher kommt das und wie wirkt dies noch immer in der heutigen Zeit? Die Suffragette Matilda Joslyn Gage sagte am Ende des 19. Jahrhunderts etwas bemerkenswert Revolutionäres. Sie vertrat die Meinung, dass die Hexenverfolgung nichts mit der Bekämpfung des Bösen zu tun hatte. Es handelte sich um nichts anderes als verkappten Frauenhass. Einen Weg, um Frauen zu unterdrücken. Sexismus avant la lettre, sozusagen.

Die Gesellschaft wurde damals von mächtigen Männern dominiert. Frauen wurden als schwach und dem Manne untertan angesehen. Sie sollten vor allem nicht klug sein, nicht selbstständig und nicht zu mündig, sonst wäre vielleicht die privilegierte Position der Mannsbilder in Gefahr gewesen. Stattdessen erwartete die Gesellschaft von Frauen, dass sie sich folgsam, sanft und willig benahmen.

Dicke Lippe? Auf den Scheiterhaufen mir ihr!

Verließen die Frauen diese Rolle, wurden sie zur Zielscheibe. Genau wie Mary Bliss Parsons, eine verheirate Frau mit neun gesunden Kindern, aber scheinbar auch ‘a woman of fircible speech and domineering ways’. Ihre Mündigkeit und dominanter Charakter reichte aus, um sie 1674 der Hexerei zu bezichtigen, woraufhin sie die Gegend verließ. Mary entkam also dem Scheiterhaufen aber sehr viele andere Frauen mit ‘zu viel’ Selbstvertrauen, einer starken Meinung oder medizinischen Kenntnissen ereilte ein schlimmes Schicksal.

Ganze 78% der verfolgten Hexen waren Frauen. Und die wenigen Männer, die auch auf dem Scheiterhaufen endeten, hatten meistens eine Verbindung zu einer Frau, die der Hexerei beschuldigt wurde. Dass also ein Schimpfwort wie ‘Hexe’ nichts mit Misogynie zu tun hätte, ist eine Fehleinschätzung. Und auch wenn man nichts über Hexenverfolgung weiß, ist es dennoch offensichtlich, dass das Wort für Frauen verwendet wird, die sich anmaßen, sich weiter vorzuwagen als der Standard. In diesem Sinne ist das Wort ‘Hexe’ nichts anderes als ein weiterer Weg, Frauen mundtot zu machen.

Sexismus -Frauenverfolgung findet noch immer statt

Leider wird man auch im Jahr 2021 noch immer gnadenlos abgestraft, wenn man es wagt, sich zu profilieren, Führungsqualitäten zeigt und seine Stimme erhebt. Die Wirkung des Sexismus und des Frauenhasses sind nicht schwer zu erraten. Natürlich entmutigen all die Hassnachrichten die Frauen, die öffentliche, politische Ämter anstreben oder sich auch nur ganz simpel im Internet zeigen und äußern.

Aus der Reihe tanzen

Frauen, die dies trotzdem wagen, müssen sich sehr schnell mit eingerosteten Vorstellungen über die Position der Frau auseinandersetzen. Wir können zwar behaupten, die Frauenverfolgung läge hinter uns, aber unterbewusst findet sie nach wie vor statt.

Unsere Gesellschaft kann es noch immer nur schwer verdauen, wenn Frauen aus der Reihe tanzen. Wenn sie unabhängig sind, eine starke eigene Meinung vertreten, sich sexuell frei verhalten, keine Kinder wollen oder Single bleiben. Einfach, wenn sie etwas tun, das ihnen als Frau ‘doch nicht in die Wiege gelegt ist’.

Für Freiheit einsetzen

Wenn sich Frauen trauen, sich gegen diese auferlegten Maßstäbe aufzulehnen, formen sie eine Gefahr für die dominante Position der Männer. Sie werden zwar nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt, können aber ziemlich sicher mit jeder Menge Frauenhass rechnen.

Sehr unangenehm für die betreffenden Frauen aber auch für den gesamten Emanzipationsprozess. Solange wir akzeptieren, dass prominenten Frauen der Mund verboten wird, bleiben wir irgendwie auch alle mundtot. Darum sollten wir uns für die Freiheit der Frauen einsetzen, die ihre Stimme erheben. Damit sie dafür nicht einfach in aller Öffentlichkeit an den Schandpfahl gestellt werden.

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