Kolumne: Scham im Bett

Scham im Bett nynke nijman

Die Last, die sie mit sich herumschleppte, machte einen richtig traurig. Sie konnte sich einfach nicht entspannen. Nicht beim Sex und auch nicht, wenn man nur über Sex sprach. Dann fühlte sie im wahrsten Sinne des Wortes eine Last auf ihre Schultern drücken. Dies beeinträchtigte sie bei allem, was mit Sex zu tun hatte. Sie fühlte sich gehemmt und schämte sich. Sie schämte sich für das sexuelle Wesen, das sie war, für die Dinge, die sie mochte und die Geräusche, die sie dabei von sich gab. Sie schämte sich für ihr Gesicht beim Sex, die Gerüche, die er freisetzte und die reichlich fließenden Körpersäfte.

Darum machte sie fast nichts mehr in Sachen Sex, obwohl sie es eigentlich immer sehr gemocht hatte. Sie war so neugierig gewesen, lernte sich immer besser kennen und konnte den Sex wirklich genießen. Bis sie einen Mann in einer Bar kennengelernt hatte. Die sexuelle Anziehungskraft war enorm gewesen, und bevor sie es sich versah, lag sie schon in seinem Bett.

Sie fühlte, wie sie in diesem Moment aufging. Hemmungen kannte sie nicht. Sie betrieb hingebungsvoll die Liebe, bis er sie auf einmal fragte, was sie da machen würde. Das brachte ihre ganze Welt zu stillstand. Was meinte er? Zog sie ein komisches Gesicht? Oder lag es an ihrem Stöhnen? Hätte sie ihre eigenen Brüste nicht berühren dürfen? Oder war es womöglich das Geräusch, das aus ihrer Vagina drang? Sie traute sich nicht zu fragen und verschloss sich vollkommen. Was, wenn es alles zusammen war? Was, wenn sie lauter Dinge tun würde, die er seltsam fand?

In jenem Moment legte sich die Last auf ihre Schultern, die sie noch immer – 9 Jahre später – mit sich herum schleppte: Diese enorme Scham und Angst, sich wieder so gehen zu lassen. Seit jenem Moment hatte sie jegliches Vergnügen an Sex verloren. Sie hatte noch Sex gehabt aber nur noch mit Hemmungen. Sie war sich jeder ihrer Handlungen, Bewegungen, jedes Geräusches und jeden Geruchs überdeutlich bewusst gewesen. Seit dem hatte sich der Sex nicht mehr wie sonst angefühlt. Sie hatte ihn nie mehr wie früher genießen können; wie vor jenem Abend vor 9 Jahren.

Und hätte man sie vor 9 Jahren danach gefragt, hätte sie einen davon überzeugt, dass Gerüche, Körpersäfte, komische Gesichtsausdrücke, unerwartete Geräusche und spontane Berührungen zu Sex dazugehören; dass sie ganz selbstverständlich waren. Jetzt musste sie sich aber zuerst wieder selbst davon überzeugen, damit sie endlich wieder ohne Schamgefühl und Hemmingen Sex genießen konnte.

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