Pussy: Ein Spitzname, den wir zurückerobern müssen?
Das Wort ‘Pussy’ ist nach wie vor sehr beliebt. Ob Rapper oder Popstars, pickelige Jugendliche oder auch der letzte US-Präsident, der Begriff wird schon seit Jahrhunderten benutzt und meistens nicht gerade sehr frauenfreundlich. Woher stammt aber diese Bezeichnung? Und ist es vielleicht an der Zeit, sie zurückzufordern?
Die Kontroverse rund um Pussy
Viele Frauenorganisationen sind dieser Meinung. Nachdem das Access Hollywood-Tape von Ex-Präsident Trump an die Öffentlichkeit kam, schlossen sich Tausende Frauen den Frauenmärschen gegen Misogynie an. Auf dem Tape aus dem Jahr 2005 hört man Trump über sexuelle Gewalt angeben. Er posaunte herum, dass er Frauen ohne Folgen by the pussy’ packen konnte, weil er so berühmt sei.
Das an die Öffentlichkeit geratene Tape blies dem Feminismus neues Leben und Wut ein. Die Frauen waren es satt und schrieben sich das Wort pussy aufs Hemd und auf Transparente, um den Begriff in einen Kosenamen zu verwandeln. Wenige Tage nach Trumps Inauguration stürmten sie die Straßen mit rosa Pussyhats auf dem Kopf und Bildern von wehrhaften Katzen auf ihren Shirts.
Wieso sollten uns aufgeblasene Machotypen wie Trump in den Schritt greifen dürfen? Die Pussy gehört uns, also Finger weg!
Gleichzeitig gibt es aber auch Frauen, die diese Entwicklung mit Trauer verfolgen. Sie sagen, dass wir uns nach Jahren eines Status Quo jetzt mitten in einer starken, feministischen Umwälzung befinden. Endlich erheben wir uns wieder gemeinsam gegen das Patriarchat. Endlich erheben wir wieder die Faust gegen sexuelle Einschüchterung und sexuelle Gewalt. Zu einer solchen Umwälzung passt es aber nicht, entwürdigende Begriffe wie Pussy zu verwenden.
Woher stammt das Wort Pussy eigentlich?
Bevor wir uns entscheiden, wie wir mit dem umstrittenen Wort umgehen wollen, sollten wir zuerst einmal seine Geschichte kennen und verstehen. Denn woher stammt eigentlich das Wort Pussy? Warum benutzte man es? Und welche Bedeutung hat es über die Jahrhunderte hinweg bekommen?
Pussy und die altnordische Beuteltasche
Offensichtlich existieren einige etymologische Diskussionen zum Ursprung des Begriffs Pussy. Eine dieser Theorien vertritt die Ansicht, dass das Wort vom altnordischen Wort puss abstammt, was so viel wie Beuteltasche bedeutet. Im Niederdeutschen gab es das Wort puse, das Vulva bedeutete. Und wenn man weiß, dass das französische la chatte sowohl Katze als auch Vulva bedeutet, scheint alles klar zu sein.
Die Assoziation mit Katzen ist natürlich recht plausibel. Sowohl das Tier als auch die ‘Pussy’ zwischen den Beinen ist weich, warm und flauschig. Sogar eine rasierte Punani hat irgendwie etwas von einer nackten Katze – Irgendwie…
Das Wort soll übrigens zum ersten Mal im 17. Jahrhundert aufgetaucht sein. Zu jener Zeit hatte es keinerlei sexuellen Bezug, sondern war eher ganz allgemein ein lieber Kosename für Frauen. Erst im 19. Jahrhundert bekam Pussy die sexuelle Nebenbedeutung, die noch heute existiert.
Porno und Pussy
Wie hat sich also die ‘Beuteltasche’ und ein ‘lieber Kosename’ zu einem der kontroversesten Wörter der englische Sprache gewandelt? Dank Porno natürlich.
Obwohl das Wort bereits im 19. Jahrhundert zum Synonym für Vagina wurde, kam es doch erst so richtig in Umlauf, als Pornofilme die breite Gesellschaft erreichten und das ganze Vokabular rund ums Thema Sex ausgeprägter und deftiger wurde. Vorbei war es mit dem unschuldigen Kosenamen und Schmeicheleien. Pussy wurde zur Gossensprache und bekam den zugehörigen negativen Charakter. Es reduzierte die Frauen auf Sexobjekte, als wären sie nur eine Vulva auf Beinen.
Darum wird der Begriff auch hauptsächlich von Männern verwendet. In Gruppen von Frauen oder gemischten Gruppen wird der Ausdruck laut Wissenschaft kaum benutzt. Kein Wunder, wenn man den Unterton des Wortes bedenkt. Frauen fühlen sich dabei schnell unwohl, und auch Männer wissen sofort, dass es Not Done ist, um über Pussies zu reden, wenn Frauen anwesend sind.
Pussy ist feige, Pussy ist schwach
Vom süßen Kosename zum erniedrigenden Pornojargon. Es geht aber noch schlimmer. Der Ursprung des Wortes Pussy wird auch im lateinischen Wort pusillanimous vermutet, einem Adjektiv, das eine feige, schwache und mutlose Person beschreibt. Es wurde mit männlicher Schwäche assoziiert, aber es wird wohl nur wenige Männer geben, die die Verbindung zwischen diesen lateinischen Wurzeln und der heutigen Bedeutung sehen.
Die Verbindung zwischen Frauen und Schwäche wird dagegen sehr schnell hergestellt. Pussy war ein Synonym für schwache Männer, die nicht maskulin waren und somit nicht dem männlichen Standard entsprachen. Wir sagen unseren Jungen, dass sie nicht heulen oder klagen dürfen, denn sonst wären sie Pussies. Dabei hat aber sicher niemand den lateinischen Hintergrund im Kopf. Wir denken dabei an Frauen, denn die sind schwach.
Whipped by pussy
Männer, die von Frauen dominiert werden, werden zudem als pussy-whipped bezeichnet. Dies ist ein Synonym für ein manipulatives Machtgleichgewicht, bei dem Frauen ihrem Mann den Sex verweigern, um auf diese Weise ihren Willen durchzusetzen. Die Schwäche des Mannes ist sein Verlangen nach Sex und seine Bereitschaft, seine eigene Position zu schwächen, um an Sex zu kommen. Auf diese Weise werden zwei Bedeutungen des Wortes Pussy kombiniert.
Ein solches Wortspiel kann man vielleicht einfach belächeln, allerdings ist es nicht weniger beleidigend als wenn man einen ängstlichen Jungen als ‘Schwuchtel’ bezeichnet, oder im Englischen als ‘faggot’ bzw. auf Niederländisch als ‘mietje’. All das sind erniedrigende Begriffe für Homosexuelle.
Auch hierbei ist also wieder der weiße, heterosexuelle Mann die Norm. Männer, die nicht diesem Maßstab entsprechen, werden verspottet und als weibisch oder homosexuell bezeichnet. Auf diese Weise werden Frauen und homosexuelle Männer schon seit Generationen zur Quelle für Hohn und Spott.
Frauen mit Eiern
Woher kommt aber die Vorstellung, Frauen seien schwach? Die Schriftstellerin und Feministin Sarah Marcus-Donelly hat dazu einige Ideen. In ihrem Artikel zum Thema für The Huffington Post weist sie daraufhin, dass Vaginas in unserer Gesellschaft nicht gerade im Vorteil sind. Sie werden dominiert, werden vergewaltigt und stehen in der Hierarchie niedriger als Pimmel und die zugehörigen Männer. Darum sollte man eben keine Pussy sein, denn mit Pussies passieren schlechte Dinge.
Darum werden Frauen auch nicht nur in Sportkantinen oder an der Bar von Männern mit tollen Geschichten verspottet, das Phänomen ist eher ein institutionelles. Selbst der Präsident der USA kann voller Stolz erklären, dass er Frauen an der Pussy packt, ohne dass dies für seine Präsidentschaft Konsequenzen hätte. Genauso wenig wie ihm all die anderen herabwürdigenden Bemerkungen geschadet haben, die er über Frauen machte.
Darum wundert es auch nicht, wenn engagierte Frauen am Arbeitsplatz männliche Eigenschaften übernehmen. Und dann stolz sagen, dass sie ‘Frauen mit Eiern’ sind, als wäre dies eine erstrebenswerte Leistung. Die Frage ist, ob das wirklich so beneidenswert ist? So wie Stella Bergsma, die Autorin von Pussy Album, in einem Interview sagte: ‘Ich möchte keine Frau mit Eiern sein. Was soll ich mit diesem weichen Hautsack zwischen meinen Beinen? Ich habe doch eine ausgezeichnete wetterfeste Muschi?’
Das Wort Pussy zurückfordern
Da hat Stella schon ein Argument. Warum sagen wir, Frauen müssten sich erheben und zeigen, dass sie Eier haben? So toll sind die Dinger nun auch wieder nicht. Schon mal einen Mann gesehen, der einen Tritt zwischen die Beine bekommen hat? Kein so starker Anblick. Eher so, als würde gerade jemand wimmernd seinem Ende entgegengleiten. Eier sind also wohl nur so stark, weil sie an Männern hängen. Sehr ‘logisch’, oder?
Kosename
Nicht wirklich. Denn was soll denn bitte schön an einer Vagina schwach sein? Vaginas sind stark und mächtig. Sie bringen schließlich ganze kleine Menschen zur Welt. Dass Frauen immer noch als schwach und zerbrechlich angesehen werden, ist wirklich mehr als erstaunlich. Und auch beleidigend. Das Wort Pussy hat also dringend ein Upgrade verdient.
Erniedrigende Redeweisen zu ändern, ist alles andere als einfach. Es gibt eben immer zwei Lager. Das eine ist der Meinung, dass missbrauchte Begriffe abgeschafft werden sollten und dass durch diese Wörter nur der Frauenhass am Leben erhalten wird. Das andere Lager befürwortet dagegen das betreffende Wort und will es als Kosenamen sehen, um ihm auf diese Weise eine ganz neue Bedeutung zu verleihen.
Genau wie es bei dem Wort Queer geschehen ist. Die junge LGBTQ+ Generation hat das Wort einfach angenommen, obwohl sich die ältere Generation noch sehr gut daran erinnern kann, wie es ihnen immer wieder von homophoben Mistkerlen an den Kopf geworfen wurde.
Macho-Männlein a la Trump
Es ist natürlich völlig in Ordnung, zu kontroversen Begriffen unterschiedliche Vorstellungen zu haben. Das bedeutet aber nicht, dass wir sie vermeiden oder verstecken sollten. Gerade indem wir solche unterdrückenden Worte abstauben und auf komplett neue Weise in die Welt bringen, haben wir die Chance, eine Veränderung zu bewirken.
Sheila Embleton, Professorin für Sprache an der York University in Toronto, sagt, dass die erniedrigende Nebenbedeutung eines Wortes verschwindet, wenn das Wort von denen beansprucht wird, die es erniedrigen soll. Auf diese Weise ändert sich Sprache am laufenden Band, und darum sollten wir uns immer der Möglichkeit bewusst sein, dass wir ein Wort wie Pussy von etwas Schwachem in etwas Starkes verändern können.
Versuche darum das Wort zurückzufordern. Erfülle es mit allen positiven Bedeutungen, die dir einfallen. Siehe es z.B. als ein Symbol für Freiheit, von sexuellem Vergnügen oder für die unglaubliche Kraft, die bei einer Geburt freigesetzt wird.
Dann kannst du es dem erbärmlichen Macho-Männlein a la Trump ins Gesicht zurückwerfen. Mal sehen, wer stärker ist.
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