Wer eröffnete den ersten Sexshop der Welt?
Massageöl, Vibratoren und essbare Slips. Niemals war es einfacher Sextoys zu kaufen. Man findet heute alles, was man sucht und noch viel mehr. Was ist aber der Ursprung dieses sexuellen Walhallas? Alles fing mit dem ersten Sexshop der Welt an, der den Namen ihrer emanzipierten Gründerin, Tabubrecherin und wahren Heldin trägt: Beate Uhse.
Kondome und ‘Produkte für eheliche Hygiene’
Beate Uhse wurde 1919 als Tochter einer liberalen Familie in Deutschland geboren. Ihre Mutter war die erste weibliche Ärztin und sehr frei beim Vermitteln sexueller Aufklärung und von Verhütungsmitteln. Sie gab auch ihr emanzipatorisches Denken an ihre Tochter weiter.
Beate wurde in den 30er Jahren eine der wenigen weiblichen Stunt-Piloten für deutsche Filmgesellschaften. Nachdem sie aber im 2. Weltkrieg auch für die Deutsche Luftwaffe geflogen hatte, durfte sie nach dem Krieg nicht mehr fliegen. Um irgendwie Geld verdienen zu können, entschied sie sich dazu, Produkte für Hausfrauen an der Tür zu verkaufen.
Pamphlet X
Die Hausfrauen erzählten ihr, wie sehr sie sich davor fürchteten, in diesen Jahren nach dem Krieg schwanger zu werden. Beate erinnerte sich damals an die Empfängnisverhütungsmethoden ihrer Mutter und stellte eine Broschüre zusammen, die den Frauen dabei helfen sollte, ihre fruchtbaren Tage zu erkennen. Dieser Ratgeber für regelmäßige Zurückhaltung, das sogenannte Pamphlet X, war der Startschuss ihrer Karriere in der Sexbranche.
Mit dem Erlös aus 32.000 verkauften Exemplaren ihrer Ratgebers gründete Beate Uhse 1951 ihre Firma Mail Order Co., einen Versandhandel, bei dem man Kondome und Bücher über ‘Ehehygiene’ kaufen konnte. Nach zehn erfolgreichen Jahren kam die Zeit der bewegten 60er Jahre mit der zugehörigen sexuellen Revolution, die Beate noch das letzte Stückchen Rückenwind verlieh, um ihre Geschäfte in Deutschland zu erweitern und zu verstärken. 1961 eröffnete sie in Flensburg ihr erstes Ladengeschäft; den ersten Sexshop der Welt.
Polizei und Anstandsregeln
Das Geschäft wurde zuerst etwas ‘entschärft’ als ‘Fachgeschäft für Ehehygiene’ betitelt. Eine kluge Entscheidung, denn nicht alle Menschen waren von der Vorstellung eines Sexshops begeistert. Die sexuelle Revolution war zwar bereits in vollem Gange aber die 60er Jahre waren dennoch eher von Konservatismus gezeichnete Zeiten. In der Öffentlichkeit wurde nicht über Sex gesprochen und schon gar nicht über Lust, Verlangen oder (Selbst)Befriedigung.
Diese Prüderie führte dazu, dass die Polizei regelmäßig vor der Tür stand, weil Beates Geschäft nicht den allgemeinen Regeln des Anstands entsprechen sollte. Bis 1992 hatte sie und ihr Geschäft etwa 2000 Anklagen am Hals gehabt. Sogar die Social Media sperrten Beate aus und beschimpften sie. Der Börsenverband des Deutschen Buchhandels verweigerte ihrem Verlag die Aufnahme und sogar der örtliche Tennisclub wollte sie nicht als Mitglied aufnehmen. Letzteres kümmerte sie nicht so sehr, denn sie gründete einfach ihren eigenen Tennisclub.
Weibliche Lustobjekte
Anfang der 70er Jahre bekam die sexuelle Revolution langsam festen Boden unter die Füße. In Deutschland wurde die Gesetzgebung weniger konservativ und Beates Fokus konnte sich von ‘Ehehygiene’ in Richtung Lust und Sexvergnügen verschieben. Das Sortiment wurde um Sextoys, heiße Dessous und Porno erweitert. In der Kalverstraat in Amsterdam wurde 1971 der erste Sexshop mit Videokabinen eröffnet.
Die Zeiten waren aber immer noch nicht ganz leicht. Vor allem Feministinnen reagierten kritisch auf die weiblichen Lustobjekte in Pornofilmen. Ihrer Meinung nach gab es einen großen Unterschied zwischen dem in Frage stellen des traditionellen Frauenbildes und des Reduzierens der Frauen auf Lustobjekte in schmutzigen Videokabinen. Bei der sexuellen Revolution ging es schließlich um Freiheit, das Recht auf Abtreibung und Verhütungsmittel und das Ausräumen von Tabus rund um die weibliche Sexualität.
Porno passte dabei überhaupt nicht ins Bild, deshalb verursachten Beate Uhses Videokabinen bei den Feministinnen jede Menge Stirnrunzeln.
Pionierarbeit
Beate Uhses Einfluss auf unsere heutige Betrachtungsweise was Sex betrifft, sollte nicht unterschätzt werden. Sie hat nicht nur als Frau ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut und war die Begründerin eines erotischen Imperiums aus Sexshops, sie veröffentlichte zudem auch Zeitschriften und Bücher, in denen mit Tabus gebrochen wurde. Außerdem machte sie mit dem, woran sie glaubte, unerschütterlich weiter, egal, wie groß der Widerstand auch war, auf den sie stoß und trotz aller sozialer Ausgrenzungen.
Die Feministinnen hatten sicherlich nicht ganz Unrecht, was den Verkauf von frauenfeindlichem Porno betraf. In dieser Hinsicht war Beate – so wie es ihr Biograf formuliert – eher Geschäftsfrau als Feministin. Trotzdem verdanken wir es ihrer Pionierarbeit, dass wir heute all das genießen können, was Sexshops zu bieten haben. In ihrem Kielwasser wurden weltweit auch Tausende weiterer Sexshops von unternehmenden Frauen gegründet, die ebenfalls den Horizont weiblicher Sexualität erweitern wollen.
Ein Tabubruch?
Heute, 60 Jahre später, sind Sexshops ein ganz normaler Teil unserer Gesellschaft geworden. Niemand protestiert noch vor einem Sexshop und auch die Polizei wird nicht mehr wegen Unsittlichkeit herbeigerufen. Die wachsende Zahl an Sexshops zeigt zudem, wie sich die Kultur verändert und dass Lust und Sex nichts ist, worüber nur hinter verschlossenen Türen gesprochen wird.
Filme wie Fifty Shades of Grey werden vom breiten Publikum besucht und wir bestellen anonyme Päckchen, um unser Sexleben mit aufregenden Spielzeugen zu bereichern. Anonym ist hier übrigens das Schlüsselwort. Scham ist noch immer eine sehr hartnäckige Erscheinung, und niemand wird sich in seiner Haut so richtig wohl fühlen, wenn ihm der Postbote ein Paket überreicht, auf dem sichtbar zu lesen ist, dass es einen Vibrator enthält.
Breites Sortiment erotischer Produkte
Oder ist das auch irgendwie ein bisschen logisch? Auch wenn der Konservatismus anscheinend gerade eine Neubelebung erfährt, so ist Sex ungeachtet dessen sowieso immer noch etwas aufregender, wenn er von einem gewissen Mysterium umgeben ist. Dass wir unseren Körper ganz frei entdecken können und dabei aus Tausenden von Sextoys wählen können, bedeutet nicht, dass wir dies nicht in der Sicherheit und mit dem Komfort unseres eigenen Zuhause tun können.
Heute sehen wir Sexshops eher als das, was sie wirklich sind. Shops, in denen wir viele Artikel finden, die uns dabei helfen, unser Sexleben zu bereichern und unsere Sexualität zu umarmen. Wenn man heute einen Online-Sexshop besucht, muss man sich nicht mit Verhütungsmitteln, etwas Massageöl oder einem simplen Vibrator begnügen. Es erwartet einen eher ein umfangreiches Sortiment zahlloser Produkte, egal, ob man into BDSM ist oder einfach nur endlich entdecken möchte, ob es den G-Punkt wirklich gibt. Nichts ist so entspannend, wie einfach am Laptop ein neues Sextoy auszusuchen, und auch dies verdanken wir dem allerersten Sexshop, der schließlich auch als Versandhandel angefangen hat.
Auf diese Weise tragen Sexshops zu einer offenen Kultur bei, in der Frauen ihre Sexualität frei entdecken können. Einer Kultur, in der der Kauf eines Sextoys genauso normal sein wird, wie der Kauf einer Kartoffel; nur eben ein bisschen aufregender.
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