Warum überzogene Erwartungen dein Date-Leben ruinieren
Zu daten ist sowieso schon kein Kinderspiel. Es wird aber noch schwieriger, wenn wir bereits mit viel zu vielen unrealistischen Erwartungen das Lokal betreten. Warum klammern wir uns immer wieder an unsere festgefahrene Checkliste? Und wie können wir vermeiden, dass überzogene Erwartungen unser Liebesleben sabotieren?
Daten ist nicht immer schön
Zu daten ist nicht immer schön und aufregend. Oft ist es eine nervenaufreibende Achterbahn, die einen ernüchtert zurücklässt. Das kann ziemlich frustrierend sein, vor allem, wenn es scheinbar nie zu etwas führt. Der Grund ist oft ein typisch männliches rüpelhaftes Benehmen und die Neigung zu einem Rückzieher; z.B. wenn ein an sich sehr angenehmes Date doch letztlich nur zu einem schweigenden Telefon führt. Oder wenn man sich von seiner besten Seite gezeigt hat und das Date an sich sehr appetitlich fand und man dann doch nur mit einem “War sehr nett, bis bald mal wieder!” abgefertigt wird. Und danach folgt nur unbegreifliche Funkstille.
Das ist entnervend, ärgerlich und hinterlässt Spuren im eigenen Selbstvertrauen. Aber irgendwie gehört es eben auch dazu. Manchmal ist man mit seinem Date einfach nicht auf der gleichen Wellenlänge, manchmal findest du den anderen toller als er dich und manchmal ist es eben einfach kein match made in heaven. Damit muss man lernen zu leben und vor allem so schnell wie möglich, bevor man Tage damit verschwendet, sein schweigendes Handy anzustarren. Ganze Bücher, Filme und Serien widmen sich dem Phänomen der verzweifelt auf eine Reaktion wartenden Frau, das Resultat ist aber immer das Gleiche: Wenn er nicht anruft, nicht reagiert, also auf ein zweites Date nicht erpicht zu sein scheint, dann ist er eben just not that into you.
Darum solltest du dich mutig darüber hinwegsetzen und deine Energie lieber in ein vielversprechenderes Exemplar aus dem Partnerpool stecken.
Zärtliches Animal im Bett
Die zweite große Falle ist unsere unrealistische Checklist. Der potentielle Partner soll klug, lustig und fürsorglich sein. Er soll gut aussehen und keine störenden Makel besitzen, also keine zu schmalen Schultern, eine schiefe Nase oder eine hohe Stirn. Ambitiös und engagiert? Yes please! Aber auch wieder nicht so sehr, dass wir ihn nicht mehr zum Shopping oder auf ein Wochenende in Paris mitbekommen.
Er soll einfühlsam sein, aber natürlich nicht zu sehr, sonst ist es nicht mehr sexy. Ein Animal im Bett, aber bei all dem wilden Liebesspiel soll er trotzdem auch zärtlich sein können. Und selbstverständlich sollte er der Wahre sein, ein echter Soulmate, der deine tiefsten Wünsche und Sehnsüchte wie ein offenes Buch ergründet.
So jemand eben. Schwer zu finden? Das kann man wohl sagen! Komischerweise ist uns das oft nicht ganz klar. Nach einer ganzen Serie missglückter Dates ziehen wir uns verzweifelt zurück und analysieren endlos, warum es schon wieder schiefgelaufen ist. Bewaffnet mit Weinflaschen und einer geduldigen Schar willig zuhörender Freundinnen skizzieren wir ein Untergangsszenario, bei dem wir als totaler Loser allein auf der Single-Insel übrigbleiben, während unsere ganze Umgebung fröhlich Ringe austauscht und Babys auf die Welt bringt.
Wir und unser unerreichbares Idealbild
Diese überzogenen Erwartungen entziehen unserem Date-Leben nicht nur jegliche Freude, sie führen zudem dazu, dass wir unsere Dates durch eine äußerst strenge und unfaire Lupe betrachten. Unser sorgfältig zusammengestelltes Idealbild erfüllt uns mit solcher Begeisterung, dass wir sofort in ein tiefes Loch fallen, wenn der betreffende Mann dann kleine Gebrechen oder Abweichungen an den Tag legt. Unser unerschütterliches Idealbild lässt dem armen Kerl dann keine Überlebenschance. Egal, wer er ist, was ihn bewegt und für was er steht.
Speed-Dates und Single-Abende
Die Art und Weise, auf die Dates stattfinden, ist auch nicht immer hilfreich. Früher traf man sich noch ganz entspannt in der Kneipe, heute gehen viel Singles zu Speed-Dates, nutzen Dating-Apps oder besuchen spezielle Single-Abende. Das Daten wird irgendwie immer mehr zum Bewerbungsgespräch. Haut dich das Profilfoto nicht sofort um? Werden die Antworten auf deine beiden ersten Fragen nicht makellos formuliert? Dann wird gleich weggeswipt und zum nächsten Kandidaten gewechselt.
Auf diese Weise nehmen wir uns aber leider selbst die Chance zu entdecken, ob der andere zu uns passt oder nicht. Ein einschüchterndes Sperrfeuer aus schwerwiegenden Fragen? Nein, auch das bringt uns nicht wirklich weiter. Am Ende des Dates wissen wir dann vielleicht, ob er sich Kinder wünscht und welche gesundheitlichen Probleme es in seiner Familie gibt, aber die Chance auf ein zweites Date? Die wird wohl gegen null gehen.
‘Checklist Mentality’
All das hat Folgen für den Erfolg unseres Liebeslebens, sagt auch Counselor und Beziehungsexperte David Bennet in einem Artikel auf Bustle. Obwohl es natürlich ganz sinnvoll sein kann, einige Kriterien im Hinterkopf zu haben, so wird sich aber eine ganze Checkliste in der Praxis eher negativ als positiv auswirken. Laut Bennet haben seine mit Liebesfragen kämpfenden Klienten immer eine sogenannte ‘Ckecklist Mentality’, wenn sie ein Date haben. Sie sehen den idealen Partner fast wie ein LEGO-Bauwerk, dass sie mit den perfekt passenden Bausteinen modellieren können.
Das Problem ist laut Bennet aber, dass die Verbindung mit einem Partner wesentlich tiefer und komplexer ist, als einfach nur ein Set gewünschter Eigenschaften. Man könnte dies in etwa mit der nach Perfektion suchenden Charlotte aus Sex and the City vergleichen, die sich dann auf einmal in den kleinen, kahlen und undeutlich sprechenden Harry verliebt. Bennet sagt, dass sich sehr viele Menschen nicht bewusst sind, dass es ihren idealen Partner wahrscheinlich gar nicht gibt. Wenn dich jemand dich gut fühlen lässt, dann ist es doch egal, wenn er ein paar Zentimeter kleiner ist, keinen Universitätsabschluss hat oder am Samstag am liebsten zum Fußball geht?
Warum haben wir solche überzogene Erwartungen?
Warum legen wir also die Latte bei Beziehungen so unglaublich hoch? Nach Meinung der Psychotherapeutin Esther Perel kommt dies dadurch, weil wir heute viel freier sind als früher. Wir werden nicht mehr mit den anderen Jugendlichen im Dorf verkuppelt, wir müssen uns nicht mehr davor fürchten, als ‘Alte Jungfer’ bezeichnet zu werden, wenn wir mit 25 Jahren noch nicht liiert sind, und wir brauchen auch nicht unbedingt einen Partner, der für uns sorgt. Perel sagt, dass hierdurch Intimität eine andere Bedeutung bekommen hat: Von ökonomischer Notwendigkeit zum inneren Bedürfnis. Und dann melden sich eben auch weitere Forderungen.
Millennials verlieren keine Zeit
Beziehungstherapeut Gary Brown fügt noch hinzu, dass das Daten für Millenials und die Generation Z nach ihnen schwieriger geworden ist. Er bezieht sich damit auf die ‘unrealistischen Erwartungen automatischer Befriedigung’. Was er damit meint? Heute ist fast alles, was wir wollen nur einen Mausklick entfernt. Warum sollten wir dann nicht auch unseren zukünftigen Partner auf die gleiche Weise finden? Schnell und genau auf unsere spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten?
Darum erwarten wir, dass ein Gespräch immer problemlos verläuft, mit schnellem, findigem Humor und vielen Wendungen. Sollte das Gespräch aber ins Stocken geraten, denken wir sofort, dass es mit dem anderen nicht funktioniert. Missverständnisse stufen wir gleich als ein nicht zu ignorierendes Signal ein, denn ein echter Soulmate würde natürlich sofort begreifen, was man meint und sehr einfühlsam auf die persönliche Geschichte eingehen. Außerdem sollte gleich im ersten Moment der Funke überspringen, wenn man sich in die Auge sieht. Sternenzauber, eine Supernova und the whole shebang, das muss es schon sein.
Auf geht’s zum Nächsten
Wenn all dies in den ersten entscheidenden Sekunden, Minuten oder Stunden fehlt, hat es auch keinen Sinn, noch mehr Zeit zu investieren – finden wir. Denn Zeit ist noch so eine Sache, für den sich nach einer Beziehung verzehrenden Single. Wir sind stark beschäftigt mit studieren, arbeiten, Freunden und unserer Selbstverwirklichung. Und das Bauen an einer soliden, ernsthaften Beziehung erfordert emotionale Anstrengung, die wir nicht immer aufbringen können und wollen. Wenn dann der potentielle Partner nicht schnell genug unseren Anforderungen entspricht oder sich die ersten unvermeidbaren Irritationen zeigen, machen wir einen Rückzieher, weil wir fürchten, sonst nur kostbare Zeit zu verschwenden. Auf geht’s zum nächsten High Potential.
Wir wissen zwar schon, dass eine gute Beziehung Zeit und Energie erfordert, das bedeutet aber nicht, dass wir bereit sind, dies auch zu investieren, wenn es soweit ist. Schließlich brauchen wir den Partner nicht unbedingt.
Warum überzogene Erwartungen nicht funktionieren
Wir können uns als unabhängige ‘Frau von Welt’ fühlen und trotzdem lächerlich viel Zeit mit dem Lamentieren über unser nicht existentes Liebesleben verbringen.
Es stellt sich also die zentrale Frage: Wie ruinieren unsere unrealistischen Erwartungen unser Date-Leben? Hier kommt die Antwort:
1: Überzogene Erwartungen errichten eine Mauer
Mit unserem ganzen Paket aus Forderungen bauen wir eine Mauer zwischen uns und einem potentiellen Partner auf. Wenn er nicht sofort allen Punkten auf unserer Liste entspricht, wird er in Gedanken direkt abserviert und werden wir uns auch nicht mehr wirklich bemühen, ihn besser kennenzulernen. Hierdurch steht der potentielle Partner nicht nur unter hohem Druck, der dann einen schon fast übermenschlich guten Eindruck hinterlassen muss, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen, sondern es führt auch dazu, dass wir uns jede Menge gute Kandidaten entgehen lassen, nur weil sie nicht sofort zu 100% unserer Erwartung entsprechen.
Entspanne dich deshalb ein wenig und gönne dir Zeit, deinen Gegenüber wirklich kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht überrascht er dich und du dich selbst.
2: Überzogene Erwartungen verderben den Augenblick
Wenn wir bei unserer Verabredung ständig überprüfen, ob unser Date auch noch unseren Erwartungen entspricht, entnehmen wir uns selbst die Chance, den Augenblick zu erleben. Überzogene Erwartungen gehen oft mit perfektionistischen Menschen einher, die viel über die Zukunft nachdenken. Sie planen ihre perfekte Hochzeit, haben immer eine ausführliche Antwort für den ultimativen Fünfjahresplan parat und wissen genau, wie sie ihre Karriere gestalten wollen. Schön, wenn man so fokussiert ist, die Liebe lässt sich aber leider nicht so durchplanen. Life is what happens while you’re busy making other plans, sagte bereits einer der Beatles, und genau so ist es. Ein guter Plan ist etwas Schönes, wichtiger ist es aber, das Jetzt zu fühlen, zu erleben und zu erfahren; ganz besonders, wenn es um Liebe geht.
3: Überzogene Erwartungen führen zu einem Tunnelblick
Durch überzogene Erwartungen sehen wir die Person vor uns nicht so, wie sie wirklich ist. Wir konzentrieren uns nur auf das Abhaken der Punkte unserer Checkliste und verpassen dabei alle schönen, charmanten und anziehenden Dinge, die wahrscheinlich nicht auf unserer Liste stehen. Eigentlich halten wir unsrem Date eine Art Handbuch vor die Nase, und wenn er nicht alles abhaken kann, hat er verloren. Auf diese Weise ist ein Date zum Scheitern verurteilt, denn kein einziger Mann wird die perfekte Punktzahl erreichen können. Also nicht fair ihm gegenüber und schon gar nicht hilfreich für unser schwächelndes Liebesleben.
Die Liebe ist keine Romantikkomödie
Fazit: Auch wenn es vielleicht zynisch klingt, der beste Weg nicht enttäuscht zu werden, ist der, keine Erwartungen zu haben. Öffne dich dem anderen, lasse den Dingen ihren Lauf und sei nicht zu engstirnig, wenn es ans Daten geht.
Vergiss die ganzen romantischen Streifen, die du dir in den letzten Jahren angeschaut hast. Die Liebe auf den ersten Blick ist seltener als du denkst, und das Idealbild des Prinzen auf dem weißen Pferd wird in der Realität eher ernüchternd sein. Dank der zahllosen Romantikkomödien haben wir ein vollkommen verzerrtes Bild davon entwickelt, wie eine Beziehung auszusehen hat. Nein, der blöde Ex, dem wir schon seit Monaten nachtrauern, steht nicht auf einmal mit einem großen Blumenstrauß vor der Tür. Und nein, wir wissen meistens nicht schon nach einer Nanosekunde, dass wir meant to be sind und gemeinsam auf einem Pferd mit wehender Mähne in den Sonnenuntergang reiten.
Wir werden uns damit abfinden müssen, dass unser Liebesleben nichts mit dem zuckersüßen Spektakel gemeinsam hat, das uns immer wieder auf der großen Leinwand präsentiert wird. Unser Partner wird unserem Idealbild niemals fehlerfrei entsprechen und das ist auch gut so. Denn er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut und kein Prince Charming, der der Fantasie irgendeines Szenarioschreibers entsprungen ist. Unser Liebesleben ist nicht perfekt, genauso wenig wie unser Partner jemals perfekt sein wird oder der fröhliche Cockerspaniel, den wir angeschafft haben, bevor unser Sexleben, dank der Ankunft energiesaugender Babys (kleiner Spoiler, sei also vorbereitet) zum Erliegen gekommen ist.
Aber all das ist vollkommen Okay. Wirklich.
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