Auch Männer leiden unter Toxic Masculinity

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Männer sind coole Typen. Männer sind stark und sie heulen nicht. Dies sind nur einige von vielen Fehlannahmen rund um Männer, die dazu führen, dass sehr viele Männer mit dem Widerspruch kämpfen zwischen wie sie sind und wie sie – ihrer Vorstellung nach – sein sollten. Aber keine Sorge, liebe Männer. Gegen diese Stereotypen darf man sich auch auflehnen.

Dass Frauen schon seit Menschengedenken unter irgendwelchen Gendernormen leiden, ist unumstritten, dass aber auch Männer mit den Erwartungen ringen, die die Gesellschaft und Kultur an sie stellt, wurde bis vor kurzem kaum beachtet.

Typischer Mann

Wie das dominierende Bild des typischen Mannes aussieht? Sie sollen cool und stark sein, sie heulen nicht, kennen keine Angst und lösen ihre mentalen Probleme, ohne mit anderen darüber zu sprechen. Außerdem sind sie von Natur aus aggressiver und sexhungriger.

Gleichzeitig ändert sich aber auch die Rolle des Mannes allmählich. Früher waren sie der natürliche Unterhalter der Familie und ihr Oberhaupt, heute müssen sie aber auch immer öfter eine Rolle im Haushalt übernehmen und bei der Erziehung der Kinder.

Hierzu müssen sie ihre ‘weibliche und fürsorgliche’ Seite zeigen, trotzdem aber auch typisch männliche Eigenschaften besitzen, damit sie sich auch weiterhin als ‘echte Männer’ fühlen können. Das Ergebnis ist, dass sie einen Spagat zwischen dem, wie sie sind versuchen und dem, wie sie ihrer Meinung nach sein sollten.

Schon früh eingetrichtert

Wie Männer zu sein haben, wird den Jungs schon im Kindesalter eingetrichtert. Viele kleine Jungen werden mit der Vorstellung erzogen, dass es ein Zeichen der Schwäche wäre, wenn sie weinen, wenn sie Schmerzen haben oder sich fürchten. Ihre Emotionen werden meist schneller ausgeblendet wie die von Mädchen.

Mütter verwenden ihren Söhnen gegenüber weniger emotionale Wörter als bei ihren Töchtern. Das Vokabular, das bei Mädchen zum Einsatz kommt, geht meist viel tiefer und ist auch umfangreicher als bei Jungen. Jungen lernen hierdurch schon im Kindesalter viel weniger Worte, mit denen Gefühle beschrieben werden. Und wenn sie dann zu Männern werden, verfügen sie entsprechend über eine Sprache, die weniger gut Emotionen zum Ausdruck bringen kann. Dann wundert es auch nicht, dass sich die meisten Männer verschließen, wenn sie sich verletzlich fühlen.

Die Eltern machen dies natürlich nicht absichtlich oder bewusst. Es handelt sich viel mehr um ein unterbewusstes Verhaltensmuster, das jahrhundertealten Vorstellungen entspringt, wie Jungen oder Männer sein sollten.

Jungen sollen stark sein und nicht verletzlich. Außer für Wut, gibt es kaum Raum für andere Emotionen wie Trauer oder Unsicherheit. Es handelt sich wie gesagt um ein ganz unbewusstes Verhalten, das so alt wie die Menschheit ist.

Toxic Masculinity

Und was ist daran so schlimm? Das sind doch nur ganz harmlose Stereotypen, die jeder benutzt, damit die Welt überschaubarer bleibt, oder? – Nein, keinesfalls! Und schon gar nicht, wenn so ein Stereotyp in Toxic Masculinity umschlägt. Diese Bezeichnung bezieht sich auf die schlimmen Auswüchse kultureller Normen rund ums Thema Männlichkeit.

Denn was bedeutet es für die Frauen, wenn männliche Aggression, Dominanz und Geltungsbedürfnis unter dem Deckmantel ‘so sind Männer eben’ schön geredet wird? Auf jeden Fall nichts Gutes, wie die letzten Jahrhunderte gezeigt haben. Trotzdem gibt es in unserer sich schnell verändernden Welt noch immer Typen wie Jordan Peterson, die einen Sport daraus machen, giftige Männlichkeit zu verharmlosen und dies in die Welt hinaus zu posaunen.

Männer werden bedroht

Dieser kanadische Psychologe verkündet unablässig, dass sich ‘echte Männer’ in einer Krise befinden, durch all die durchgeknallten Feministen und linken, marxistischen Aktivisten. Als Botschafter der toxischen Männlichkeit schrieb er mit seinen ’12 Regeln für das Leben’ einen echten Bestseller.

Seine zentrale Botschaft lautet, dass Chaos etwas Weibliches wäre und Männer für Ordnung stehen. Die Emanzipation hätte die Frauen nicht glücklicher gemacht, und dass Männer bedroht würden, in Bedrängnis kämen, weil sie durch feministische Aktionen wie #MeToo nicht mehr wüssten, wie sie Männer sein sollen.

Kompletter Schwachsinn

Laut Peterson existiert eine natürliche Hierarchie zwischen Männern und Frauen (rate Mal, wer dabei ganz oben steht), die durch entsprechende Angriffe auf das Patriarchat gestört wird. Diese Hierarchie nennt er selbst eine biologische Tatsache.

Dass es sich dabei um kompletten Schwachsinn handelt, wurde in zahllosen Untersuchungen gezeigt. Sogenannte männliche und weibliche Eigenschaften besitzen keinen biologischen Ursprung. Und wenn man sich die Hirnscans eines Mannes und einer Frau ansieht, wird auch ein Arzt daran nicht erkennen können, zu welchem Geschlecht der Scan gehört. Typische männliche und weibliche Eigenschaften werden durch die Erziehung und die Gesellschaft, in der man aufwächst, geformt und uns heutzutage zudem noch von den Medien ständig unter die Nase gerieben.

Männer und mentale Probleme

Die toxische Männlichkeit ist nicht nur für Frauen unangenehm, die es mit den Folgen zu tun bekommen, sondern auch für die Männer selbst. Der vorherrschende Stereotyp, was es bedeutet, ein ‘echter Mann’ zu sein, führt bei Männern mit mentalen Problemen dazu, dass sie erst viel später als Frauen Hilfe suchen.

Sie haben gelernt, sich nicht von ihrer verletzlichen Seite zu zeigen, darum kommt es bei ihnen schnell zum Kurzschluss, wenn sie sich auf einmal doch entsprechend fühlen. Sie schämen sich, denken, dass sie ganz allein eine Lösung für das Problem finden müssen und können sich mit ihrem Kummer und ihren Ängsten an niemanden wenden. Sie leiden darunter, dass sie diese Emotionen krampfhaft unterdrücken und kämpfen mit Stress und Spannungen, manchmal sogar mit Depressionen.

Verletzlichkeit unterdrücken

Der Druck, immer nur stark und erfolgreich sein zu müssen, wird vielen Männern zu viel. Selbstmord kommt bei Männern doppelt so häufig vor wie bei Frauen, und das liegt zum großen Teil daran, dass bei Männern mentale Probleme noch immer tabuisiert werden. Schließlich muss man sich auf Männer verlassen können und dazu passen keine düsteren, ängstlichen Gefühle und Unsicherheit.

Darum unterdrücken die Männer ihre Emotionen. Eine Untersuchung im Psychologie Magazine kam zu dem Ergebnis, dass es einen großen Unterschied zwischen dem gibt, was ein Mann fühlt und was er zeigt. Etwa 80% der Männer sagen, dass ihr Gefühlsleben wesentlich tiefer geht, als andere ahnen. Freude oder Wut, ja, solche Emotionen werden gezeigt. Andere Gefühle wie Angst bleiben dagegen meistens im Verborgenen. Etwa 40% der Männer, die sich manchmal fürchten, geben dies niemals zu. Fast jeder dritte Mann verbirgt seine Gefühle, seine Scham und Unsicherheit, und etwa jeder fünfte Mann wird nicht zeigen, dass er traurig oder niedergeschlagen ist.

Das ist auch kein Wunder, solange das herrschende Bild des weißen, heterosexuellen, erfolgreichen Mannes noch immer das Maß der Dinge ist. Der soziale Druck, in dieses Muster hineinzupassen, ist groß, darum trauen sich viele Männer nicht, diese stereotype Männlichkeit öffentlich anzuzweifeln. Sie haben Angst, von anderen Männern abgewiesen oder ausgelacht zu werden. Sie wollen dazu gehören und nicht von der Norm abweichen.

Wie kann man den männlichen Stereotyp umdrehen?

Zum Glück gibt es immer mehr Männer, die sich trauen, dieses Bild des typischen Mannes anzugreifen. So erschien zum Beispiel Harry Styles in einem fröhlichen rosa Tutu auf Instagram oder stolzierte Pharrell Williams in einem Kleid über das Cover des GQ Magazine. Und auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Männer wie zum Beispiel David Bowie, die das traditionelle Bild von Männlichkeit aufbrachen und über den Haufen warfen.

Und das ganz zu Recht, denn Männlichkeit ist und bleibt ein rein soziales und kulturelles Konstrukt. Und das bedeutet, dass wir gemeinsam dafür sorgen können, dass es für alle Formen der Männlichkeit (oder besser Menschlichkeit) Raum gibt.

Was man tun kann, um stereotype Genderbilder zu verändern? Zum Beispiel das Folgende:

  • Werde dir deiner selbst bewusst und Frage dich selbst: Wie bist du aufgewachsen? Wie wurde mit deinen Emotionen als Kind umgegangen? Erinnerst du dich noch daran, wie dich jemand zum ersten Mal aufgefordert hat nicht zu heulen oder nicht andere Jungen zu umarmen? Hast du manchmal Dinge nicht gezeigt, weil sie nicht ‘männlich genug’ waren? Machst du das immer noch? Siehst du dich selbst als Mann oder kannst du dich auch als Person mit einer ganzen Reihe von Eigenschaften und Emotionen sehen, die nicht ins traditionelle Bild des Mannes passen?
  • Denke gut über die Eigenschaften nach, die du dir selbst und anderen andichtest. Es ist natürlich völlig okay, wenn du gerne eine tatkräftige Person sein willst. Tatkraft sollte man aber nicht per Definition an Männlichkeit koppeln. Frauen können ebenfalls tatkräftig sein, während auch Männer das komplette Gegenteil sein können. Man sollte also nicht nur das Geschlecht der betreffenden Person sehen.
  • Untersuche deine eigenen Gefühle. Unterdrücke sie nicht, wenn du sie wahrnimmst, sondern erkenne sie und lasse sie zu. Schreibe ganz ehrlich auf, wie du dich fühlst, wenn du Kummer und Angst empfindest. Versuche mit deinen Emotionen immer besser in Kontakt zu kommen und akzeptiere Hilfe, falls du sie benötigst. Egal, ob du dazu mit Freunden oder der Familie sprichst, mit einem Coach oder anderen Personen, die dir helfen können.
  • Es ist immer gut, das Thema offener zu diskutieren. Sitzt du mit deinen Freunden und jeder Menge Bier auf dem Sofa und schaust dir 11 fußballspielende Testosteronbomben an? Kein Problem! Versuche aber auch kritisch zu sein, wenn irgendwelche sexistischen oder homophoben Witze gerissen werden. Versuche solche Dinge anzusprechen.

Eine ganz neue Welt kann sich einem eröffnen, wenn man es schafft, sich von diesem auferlegten und einschränkenden Männlichkeitsbild zu lösen. Wenn man lernt, seine eigenen Emotionen und die von anderen zu erkennen und sich bewusst wird, dass sich hinter Verletzlichkeit echte Stärke verbirgt.

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