Barbie: Überholt oder strahlendes Vorbild?

barbie!

Diesen Monat wird sie bereits 63 Jahre alt, sieht aber immer noch genauso frisch und strahlend aus wie schon 1959 und ziert seither unzählige Kinderzimmer. Sie ist aber nicht mehr nur blond. Oder weiß. Oder unrealistisch dünn. Barbie hat in den letzten Jahren eine Evolution durchlaufen, die neue Puppen hervorbrachte, um ein wesentlich breiteres Menschenbild wiederzugeben, als es die klassische Puppe tat. Was sagt Barbie aber über das sich immer wieder wandelnde Schönheitsideal aus?

Barbie spielt in 34 Filmen mit, besitzt ein eigenes Franchise mit Kleidung, Zeitschriften und Computerspielen und war jahrzehntelang die meist ersehnte Puppe unter dem Weihnachtsbaum und auf dem Geburtstagstisch. Jedes Mädchen wollte eine Barbie-Kollektion und jedes Mädchen wollte wie Barbie sein.

“Jedes Mädchen wollte eine Barbie-Kollektion und jedes Mädchen wollte wie Barbie sein.”

Und all dies, obwohl Barbie über all die Jahre hinweg ein völlig unrealistisches Schönheitsideal mit den Puppen zeigte. Der Hersteller Mattel wurde entsprechend oft, gleich von Anfang an, für seine unmenschlichen Proportionen der Puppe kritisiert. Es dauerte aber bis ins Jahr 2016, bevor endlich ernsthafte Veränderungen an Barbie sichtbar wurden. Unter dem Druck von zurückgehenden Verkaufszahlen und der zunehmenden Kritik an der weißen und extrem dünnen Puppe, gab der Hersteller endlich nach.

“Und all dies, obwohl Barbie über all die Jahre hinweg ein völlig unrealistisches Schönheitsideal mit den Puppen zeigte.”

Das Ergebnis ist eine Fashionista-Linie mit 33 neuen Puppen, die 30 verschiedene Haarfarben haben, 24 Haartypen, 14 Gesichtsformen, 7 Hautfarben und 4 Körperformen: von der originalen Barbie, bis hin zur langen, molligen und kleinen Barbie. Eine echte Erleichterung für alle Mädchen, die sich nicht in dem alten sogenannten Idealbild wiedererkannten und darum kurzerhand die Haarfülle ihrer Barbie mit der Schere zurechtstutzten oder die immer nur blonden Locken mit Lipgloss oder schwarzem Filzstift umfärbten.

Kam dieses Umdenken noch rechtzeitig oder war es doch eher schon zu spät?

Barbie

Barbie: Eine Puppe für Female Empowerment?

Alles fing eigentlich ganz toll an. Mattel, der Hersteller, weist immer wieder daraufhin, dass Barbie als Puppe für Female Empowerment gedacht ist. Es gab bereits in den 60er Jahren Barbies als Geschäftsfrau, Astronautin und Chirurgin, obwohl es in jener Zeit noch sehr unüblich war, dass Frauen arbeiten gingen oder sogar höhere traditionell männliche Funktionen bekleideten. Barbie durchlief eine blühende Karriere in einer Zeit, in der Frauen, sobald sie verheiratet waren, in die Küche geschickt wurden. Barbie dagegen konnte werden, was sie wollte.

“Barbie durchlief eine blühende Karriere in einer Zeit, in der Frauen, sobald sie verheiratet waren, in die Küche geschickt wurden.”

Der umstrittenste Körper der Welt

Sicherlich ein nobler Ansatz, der aber nicht darüber hinweg täuschen kann, dass die zugrundeliegende Botschaft weniger erfreulich ist. Denn obwohl Mattel die Barbie als Feministin darstellte, wurde dies durch ihren eindimensionalen Körper und Kopf vollkommen überschattet. Barbie besitzt den umstrittensten Körper der Welt. Wäre sie ein echter Mensch, hätte sie einen BMI von 16, ein Taille von 46 Zentimetern und Beine, die 50% langer wären als ihre Arme. Ihre extreme Vespentaille würde keinen Raum für lebenswichtige Organe lassen und durch den Mangel an Körperfett, würde sie niemals ihre Tage bekommen können.

Wäre sie ein echter Mensch, hätte sie einen BMI von 16, ein Taille von 46 Zentimetern und Beine, die 50% langer wären als ihre Arme.”

Perfekte Sanduhrfigur? Think again. Im echten Leben würde Barbie keinen Schritt vor den anderen setzen können, ohne nach vorne zu fallen. Selbst Rollen oder Kriechen wäre ihr unmöglich, denn ihr langer Hals wäre viel zu zerbrechlich, um ihren vergleichsweise großen Kopf zu tragen.

Selbstbild junger Mädchen

Mattel hat über lange Zeit behauptet, dass die unrealistischen Proportionen der Barbie keinen Einfluss auf das Selbstbild junger Mädchen hätten, dies wurde inzwischen aber durch unterschiedliche Studien widerlegt. So stellte sich bei einer solchen Untersuchung heraus, dass Mädchen, die in jungen Jahren mit Barbies spielten, sich später mehr über ihren Körper Sorgen machten als Mädchen, die mit anderen Puppen gespielt hatten.

Und als ob dieser Alien-Körper aus Plastik nicht genug gewesen wäre, so sorgte Mattel auch regelmäßig dafür, dass dieses ultraschlanke Schönheitsideal jungen Mädchen immer wieder neu eingetrichtert wurde. Im Jahr 1963 brachten sie die Slumber Party Barbie heraus, eine Puppe, die mit einer Waage als Accessoire verkauft wurde, auf der 49 Kilo angezeigt wurde und einem Diätbuch, das nur einen einzigen Tipp gab: ‘Don’t eat!’.

‘Mathe ist schwierig!’

Und auch was die Persönlichkeit betrifft, hat Mattel immer wieder den klassischen weiblichen Stereotyp über Barbie bedient, egal wie oft sie auch betonten, für Frauenpower zu sein. Der 80er Jahre Slogan ‘Mädchen können alles!’, schien nur eine hohle Phrase, wenn man hörte, was die Teen Talk Barbie so von sich gab. Diese vorprogrammierte Puppe kam 1992 heraus und verfügte über eine Voice-Box, die Sätze wie die Folgenden von sich gab: ‘Mathe ist schwierig’, ‘Lasst uns unsere Traumhochzeit planen’ und ‘Die Schule ist ein toller Ort, um über Mode zu reden!’.

Die Teen Talk Barbie stellte die Puppe als leichtfüßiges, inhaltsloses Wesen dar, das nur an Kleidung, Spaß und sich zu verlieben denken konnte. Sie hatte keine Zukunftsträume, es sei denn, es ging um den herbeigesehnten walk down the aisle, natürlich mit Ken.

“Mattel musste sich deshalb ziemlich heftige Kritik der American Association of University Women anhören und nahm die umstrittene Puppe letztlich aus dem Handel.”

Mattel musste sich deshalb ziemlich heftige Kritik der American Association of University Women anhören und nahm die umstrittene Puppe letztlich aus dem Handel. Das Unglück war aber schon geschehen, und in der modernen Popkultur gab es immer mehr negative Anspielungen in Richtung der einst so beliebten Puppe.

Der Vorfall wurde zum Beispiel in einer Folge der Simpsons wiedergegeben. Dort protestiert Lisa gegen eine gewisse Malibu-Stacy-Puppe, die fröhlich plappert: ‘Too much thinking gives you wrinkles!’ Und natürlich wurde die plastic Persönlichkeit der Barbie wunderbar in dem Monsterhit Barbie Girl der Band Aqua persifliert.

Barbie

Neue Barbie

Zeit also für eine neue Vorbildfigur, schon aus dem Grund, weil sich auch das Schönheitsideal in den letzten Jahren stark erweitert hat. Heute werden auch immer mehr unterschiedliche Körpertypen in den Mittelpunkt gerückt. Immer öfter zieren Curvy Körper wie die von Beyonce, Kim Kardashian oder Christina Hendricks die Zeitschriften-Cover. Aber auch Feministinnen wie Lena Dunham hatten genug von dem eindimensionalen Körperideal und zeigen der Welt nun ganz ungeniert ihre Bäuchlein, vollen Oberschenkel und auch Cellulitis.

“Zeit für eine neue Barbie!”

Der gesunde Trend der Body Positivity ist inzwischen überall durchgesickert. Wir leben in einer Welt, in der sich jeder selbst erkennen können sollte und in der es keinen Platz mehr für einen rückständigen Prototype gibt, wie die ideale Frau aussehen sollte. Die dünne, blonde, weiße Frau ist nicht mehr Vorzeigeobjekt, denn jetzt ist auch Platz für starke Rolmodels aller Art. Egal, ob weiß, schwarz, braun, dünn, dick, mollig, hetero, lesbisch oder transgender; im Rollstuhl oder mit Beinprothese. Diversität ist die Zukunft, das haben auch sehr viele Firmen inzwischen erkannt. Sie haben auch keine andere Wahl, wenn sie nicht den Anschluss verlieren wollen.

Drei neue Körper

Dessen war sich auch Mattel bewusst und ließ deshalb vor drei Jahren drei neue Barbie-Körper vom Fabrikband rollen. Die Puppendesigner hoffen, dass diese neuen Barbies mit unterschiedlichen Körpertypen, Hautfarben und Haarstrukturen die Welt junger Mädchen besser widerspiegeln werden. Dass sie sich darin erkennen können, eine Puppe wählen können, die am besten zu ihnen passt und dass das Motto ‘You can be anything’ auf diese Weise greifbarer wird.

“Die Puppendesigner hoffen, dass diese neuen Barbies mit unterschiedlichen Körpertypen, Hautfarben und Haarstrukturen die Welt junger Mädchen besser widerspiegeln werden.”

Das ist natürlich ein guter Schritt vorwärts. Ein Schritt, der hoffentlich zu einem gesünderen Selbstbild unter jungen Mädchen führen wird, die sich gerne in der Fantasiewelt ihrer Barbies, Skippers und Kens verlieren. Mattel hat Mädchen fast 60 Jahre lang vorgegaukelt, dass es nur einen perfekten superdünnen Körper gäbe und dass alle anderen Körpertypen minderwertig wären. Pilot, Arzt oder Geschäftsfrau werden? Natürlich, mit großen Brüsten und Wespentaille, glänzendem Haar und endlos langen Beinen kann man sich in seinem Anzug sicherlich sehen lassen. Dann kommen all die Cabrios, Strandhäuser und Ski-Chalets wie von selbst. Jahrelang war ‘dünn’ ein Synonym für ‘schön sein’ und um alles haben zu können. Und dass man an nichts anders denken müsste, als an Schönheit und Mode.

Fat, fat, fat!

Sehen Kinder das aber genauso? Oder lässt sich die Ikone, die die klassische Barbie nun einmal ist, nicht so einfach verdrängen? In einer Cover-Story des Time Magazine kann man nachlesen, wie junge Mädchen reagieren, wenn sie mit Curvy Barbie konfrontiert werden. Sie singen kichernd ein Liedchen: ‘Hello, I’m a fat person, fat, fat, fat!’ und brechen anschließend in Gelächter aus. Den fülligen Körper finden sie komisch, der unmöglich proportionierte Barbie-Körper bleibt für sie die Norm. Den sind sie gewöhnt und dieses Bild ist fest in ihrem Gedächtnis eingebrannt.

Tania Missad, Leiterin der Forschungsabteilung von Mattel, schreibt in dem Artikel, dass ihnen dies öfter begegnet. Die Erwachsenen verlassen das Zimmer und die Mädchen, die die Barbies testen sollen, ziehen die Puppen aus und fangen nervös an zu kichern, wenn sie die Körperrundungen sehen. Für Missad ist dies ein Anzeichen dafür, dass der neue Weg, den sie eingeschlagen haben, sehr wichtig ist. Es ist recht beunruhigend zu sehen, dass sogar sechs- und siebenjährige schon so konditioniert sind, dass sie bei Puppen automatisch nach einer bestimmten Silhouette suchen. Wenn diese abweicht, wird auch die Puppe abgewiesen und lächerlich gemacht.

Barbie als arbeitende Mutter

Es gibt also noch reichlich Arbeit, um das stereotype Körperbild aus den Köpfen unserer jungen Mädchen zu vertreiben, und wenn wie ehrlich sind, auch aus unseren eigenen Köpfen. In dieser Hinsicht ist es lobenswert, dass Mattel sich traut, seine starke Marke auf den Kopf zu stellen, um Inklusivität zu fördern. Etwas spät zwar, aber besser spät als nie.

“We cán have it all!”

Und da sie gerade dabei sind: Vielleicht wäre es auch eine gute Idee, Barbie etwas mehr den gesellschaftlichen Maßstäben unser Zeit entsprechen zu lassen. Barbie wird uns mit allen möglichen Karrieren vorgesetzt, als arbeitende Mutter haben wir sie aber noch nie gesehen. Blühende Karriere und ein Baby? Nope, eine solche Kombination wird lieber ängstlich ausgeklammert. Und das ist schade. Denn bei einem hat Mattel zweifellos Recht: ‘We cán have it all!’

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