Sexismus in den Social Media: Wie geht man damit um?

Sexismus in den Social Media wie geht man damit um

Mit Abstand die meisten Hassreaktionen und sexistischen Bemerkungen in den Social Media richten sich gegen Frauen. Und wenn sie sich daraufhin gegen diesen Sexismus wehren, legen diese misogynen Tastaturritter auch gerne noch einmal nach. Wie groß ist das online Sexismusproblem und was kann man selbst dagegen tun?

Sexismus in den Social Media: Segen oder Fluch?

Social Media sind nur selten eine Grauzone. Meist sind sie entweder ein Segen oder ein Fluch. Denn auch wenn dort der Frauenhass oft umgeht, so tragen sie gleichzeitig auch zur Stärkung der Position der Frauen bei. Man denke nur an #MeToo. Unter diesem Hashtag teilten Millionen Menschen ihre Geschichten auf Twitter, Facebook und Instagram. Die Geschichten wurden geteilt und verbreiteten sich, und wie man sehen konnte, kam der online Schneeballeffekt ins Rollen, mit dem sich Veränderungen aktiv einfordern lassen.

Virale Hashtags

Ein solcher Schneeball kann aber auch in die falsche Richtung rollen. Das passiert sogar ziemlich regelmäßig. Für jedes #MeToo stehen gleich zahllose #HateFemalesWho und #ThatsWhatSlutsDo in den Startlöchern bereit. Diese Hashtags werden oft zum viralen Hit und bringen die dunklen Abgründe der Misogynie ans Licht. Von einfachem Ärgern und Racheporno bis hin zu Schimpftiraden und Bedrohungen, ganze 58 Prozent aller Mädchen und Frauen zwischen 15 und 25 Jahren bekommt es im Internet mit Sexismus und Frauenhass zu tun.

”Gut 58% aller Mädchen und Frauen zwischen 15 und 25 Jahren bekommen es im Internet mit Sexismus und Frauenhass zu tun.”

Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung, die letztes Jahr unter 14.071 Mädchen und jungen Frauen aus 32 Ländern gehalten wurde. Die Untersuchung zeigte, dass die meisten Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren alt waren, als sie online belästigt wurden. Die Belästigungen nahmen auch weiter zu, wenn die Mädchen Position zu politischen Themen, Frauenrechten und Feminismus bezogen. Mit 39% war es auf Facebook am schlimmsten, gefolgt von Instagram mit 23%.

Anonymität = Aggression

Was bewegt diese Tastaturhelden dazu, Frauen und Mädchen online in die Enge zu treiben? Forscher weisen daraufhin, dass Männer so aggressiv und sexistisch reagieren, weil sie online unsichtbar sind. Die Anonymität am Laptop bringt offenbar das Schlechteste im Menschen nach oben. Das ist aber nur ein schwacher Trost für alle Frauen, die jemals mit perversen und hasserfüllten Kommentaren überzogen wurden.

Man kann das Ganze so rational betrachten wie man will, wenn man aber auf Social Media von allen Seiten angegriffen wird, fühlt sich dies nicht weniger bedrohlich an, wie wenn einem auf der Straße ein Schimpfwort oder eine anzügliche Bemerkung an den Kopf geworfen wird. Vielleicht sogar noch mehr, weil man sich dann kaum wehren und dem ‘Feind’ nicht in die Augen sehen kann. Außerdem sorgt der gefürchtete Retweet-Button dafür, dass jede Beleidigung sich im Handumdrehen hundertfach durchs weltweite Netz verbreitet.

Lies auch: Was ist Slutshaming und wie geht man damit um?

Media, Online-Games und Politik

Beleidigungen, Bedrohungen und Versprechen, dass man in Kürze brutal vergewaltigt werden wird, viele Politikerinnen, Meinungsmacherinnen, Journalistinnen, Schauspielerinnen und weibliche Medienpersönlichkeiten wundern sich schon gar nicht mehr über Online-Sexismus. Die Schauspielerin Lena Dunham erklärte z.B. in einem Podcast, dass sie immer noch Twitter benutzen würde, ihren eigenen Feed aber so gut wie nie mehr anschaut, weil dort alles voller Todesdrohungen und Beleidigungen ihres Körpers steht. Auch die Schauspielerin Leslie Jones viel einer dramatischen Hasskampagne in den Social Media zum Opfer. Warum? Banaler geht es kaum noch: Die Schauspielerin hatte eine Rolle im Remake von The Ghostbusters, die alle Frauen waren.

Dieses Phänomen ist öfters zu beobachten, z.B. wenn eine Filmklassiker mit weißen Schauspielern neu aufgelegt wird, nur eben mit diverser Besetzung. Offensichtlich haben einige Leute Probleme damit, dass das Epizentrum der Macht nicht mehr nur aus weißen Männern besteht.

Genderbestätigend

Der Sexismus schlägt sogar bis in die Welt der Online-Games durch. In einem Artikel auf vice.com berichten weibliche Gamer und Gamedesigner über Sexismus, der ihnen online begegnet. Nicht nur die Games sind hoffnungslos genderbestätigend, sondern auch die männlichen mansplaining Gegner. Lilli wird als Schlampe beschimpft, Julia bekommt sexuell angehauchte Nachrichten, seit dem die Gamer wissen, dass sie eine Frau ist und Sarah versteckt sich lieber hinter einem männlichen Charakter: ‘Sobald sie meine Stimme hören, fängt das Gelaber an. Sie nehmen mich oft weniger ernst und hören nicht auf mich, wenn ich eine Idee teile, um den Endgegner zu besiegen. Das geschieht erst dann, wenn ein männlicher Spieler exakt das wiederholt, was ich zuvor gesagt habe.’

Sexismus in der politischen Arena

Die niederländische Politikerin Sigrid Kaag rief Männer dazu auf, sich gegen Sexismus auszusprechen und stellte fest, dass Gleichheit in der Gesellschaft noch immer nur ein angestrebtes Ziel sei aber nicht die Realität. Sie wies zudem die großen Technologiekonzerne auf deren Verantwortung hin, anonyme Accounts zu unterbinden.

Dass sie damit nicht falsch liegt, zeigte einen Untersuchung, die vor Kurzem in Amsterdam durchgeführt wurde. Gemeinsam mit Datenwissenschaftlern der Universität Utrecht analysierte die Untersuchung 339.932 Tweets, die zwischen Oktober 2020 und Ende Februar 2021 an Frauen geschickt worden waren, die sich auf den Kandidatenlisten der Parteien fanden. Die Tweets wurden mit Hilfe eines Computermodells auf sexistische Nachrichten hin gefiltert.

Giftige Tweets

Das Ergebnis war bemerkenswert: Nicht weniger als zehn Prozent aller Tweets beinhalteten Hasskommentare oder sogar Drohungen. Und wenn die betreffende Frau auch noch keine weiße Hautfarbe hatte, wurden die Tweets oft noch extremer.

Anonyme Kommentare

Aber Achtung: Online Frauenhass trifft nicht nur bekannte Personen. Wie bereits erwähnt bekommen es 58% aller Mädchen und Frauen mit offenem Frauenhass in den Social Media zu tun. Jede Frau, die es wagt, an online Diskussionen teilzunehmen, läuft Gefahr als Blöde Kuh betitelt zu werden, wenn ihre Meinung – oder auch nur die Tatsache, dass sie eine hat – jemandem nicht passt.

Immer wieder zeigt sich, dass die Social Media ein fruchtbarer Boden für Misogynie sind. Dazu muss man sich nur die ‘erhebenden’ Kommentare ansehen, die diese anonymen Wortspanner unter Posts hinterlassen. Natürlich bekommen auch Männer dort ihr Fett weg. Allerdings werden sie nur selten für die Tatsache angegriffen, ein Mann zu sein. Bei Frauen ist das Geschlecht aber anscheinend Grund genug, um möglichst giftige Kommentare abzulassen.

Online Sexismus? Das hat Konsequenzen

Dass dem Frauenhass in den Social Media größere und ernsthaftere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, ist mehr als deutlich. Das Online-Klima für Frauen, aber auch für Muslime, dunkelhäutige Menschen und die LHBTIQ+ Community ist in den letzten Jahren immer rauer geworden. Das Internet kam mit dem Versprechen, ein demokratischer, freier Ort zu sein – stattdessen werden aber diese Gruppen weit mehr als andere das Ziel von Spott, Belästigung und Drohungen.

Warum das so ist? Viele Männer sind einfach nicht an Frauen gewöhnt, die es wagen, den Mund aufzumachen und Führungspositionen zu besetzen. Und weil Frauen im allgemeinen weniger ernst genommen werden, sind sie anfälliger für Angriffe.

Unterminierung der Emanzipation

Dies wirkt sich auf die Position dieser Gruppen im Internet, den Social Media und im öffentlichen Leben aus. Weibliche Journalisten und Online-Content-Produzenten erleben die Landschaft der Social Media als so unsicher, dass sie sich bereits einer Selbstzensur unterwerfen. Sie klammern bestimmte Themen aus, ändern ihre Art des Schreibens und ziehen sich aus den Social Media zurück.

Das führt zwangsläufig dazu, dass solche Hasskommentare viele Frauen entmutigen, die sich in den öffentlichen Raum, auf die politische Bühne oder einfach nur online begeben wollen. Somit ist jeder sexistische Kommentar eine direkte Unterminierung des Emazipationsprozesses. Das gilt nicht nur für Frauen, die in die Politik wollen oder Journalismus betreiben, es gilt für alle Mädchen und Frauen, die ihre Stimme erheben. Wir können von unserer Freiheit und dem Recht auf Meinungsäußerung schwärmen, aber was ist sie wert, wenn wir uns nicht für die Freiheit der Frauen einsetzen, damit auch sie ihre Meinung äußern können, ohne sofort von Hasskampagnen überzogen zu werden.

Der Emanzipationsprozess der Frauen wird natürlich nicht sofort brutal durch online Sexismus erstickt. Im Parlament sind mehr Frauen als je zuvor vertreten und auch in allen anderen öffentlichen Ämtern lassen Frauen immer mehr von sich hören. Trotzdem hat das Ganze schon einen sehr stark entmutigenden Effekt. Die zuvor erwähnte Studie brachte z.B. auch ans Licht, dass 13% der Mädchen aufhört ihre Meinung in den Social Media zu teilen, wenn sie dort belästigt wurden, dass 12% ihre Wortwahl anpassen oder bestimmten Themen aus dem Weg gehen und dass 8% sich komplett von Social Media zurückziehen, aus Angst vor Schimpftiraden.

Umgang mit Sexismus in den Social Media

Was soll man nun aber tun, wenn man einen Online-Artikel kommentiert und anschließend mit erniedrigenden, sexistischen Reaktionen konfrontiert wird? Muss man einfach eine dickere Haut entwickeln und das Ganze von sich abprallen lassen? Oder ballt man die Fäuste und schlägt zurück? Hier folgen einige Tipps für eine gesunde Abwehrreaktion auf Online-Trolle und Haters:

  • Versetze dich in den anderen

Es ist zugegebenermaßen alles andere als leicht, ganz zen und buddha-mäßig zu bleiben, wenn man gerade eine verbale Klatsche bekommen hat. Manchmal hilft es aber, sich in die Person etwas mehr zu vertiefen, die es gerade für nötig befunden hat, einen abzukanzeln. Ist der Betreffende frustriert? Fühlt er sich zurückgelassen? Verunsichern ihn die ganzen Veränderungen, die um ihn herum stattfinden? Nimm The High Road und versuche auf konstruktive Weise einen Dialog zu führen. Deine Antwort könntest du z.B. mit einer Frage einleiten. Auf diese Weise wird dem anderen besser bewusst werden, dass er es ebenfalls mit einem Menschen zu tun hat, wie er selbst.

  • Ignorieren, blockieren, melden

Wenn die Reaktionen deutlich jegliche Grenze überschreiten und dich so wütend machen, dass du dich fast nicht mehr beherrschen kannst, solltest du wie Teflon sein. Es hat keinen Sinn, sich einer Herzattacke zu nähern, nur weil sich irgendjemand an dir auslebt. Es gibt zahlreiche Frauen, die schon seit vielen Jahren von ganzen Trollarmeen anonym belagert werden und regelmäßig mit kranken Beschimpfungen überzogen werden, sobald sie kritisch auf frauenunfreundliche Berichte reagieren. Eine Bloggerin beschreibt online, wie sie auf solche Angriffe reagiert: ignorieren, löschen und blockieren. Und falls einer dieser Zeitgenossen zu ernsthaften Belästigungen und Drohungen übergeht, meldet sie ihn direkt bei Facebook, Instagram oder Twitter.

  • Sei dir bewusst, für was du einstehst

Wenn du genau weißt, warum du etwas sagst oder teilst und du zu 100% dahinter stehst, brauchst du nicht an dir zu zweifeln. Dann werden dich negative Kommentare auch weniger treffen. Denke darum gut darüber nach, für was du einstehst und lasse dich nicht verjagen, nur weil andere anderer Meinung sind; schon gar nicht, wenn diese Leute ihre Abneigung auf erniedrigende oder belästigende Art zeigen.

Das Internet ist kein anonymer Freistaat

Man sollte sich auch der Tatsache bewusst werden, dass das Interner keinesfalls ein anonymer Freistaat ist, wo jeder jeden ungestraft ärgern, belästigen und bedrohen darf. Immer wieder wird gegen entsprechende Individuen Klage erhoben und sehr viele werden auch tatsächlich wegen Aufhetzung und Diskriminierung verurteilt.

Das echte Leben

Es würde bereits einen riesigen Unterschied machen, wenn sich jeder online so benehmen würde wie im echten leben. Keiner dieser Männer mit etwas zu schnellen Fingern auf den Tasten würde sich trauen, dir direkt ins Gesicht zu sagen, dass du es verdienst, von einem Maultier vergewaltigt zu werden. Die allermeisten dieser Männer würden dann sehr gut begreifen, wie unheimlich dumm und erniedrigend das Ganze ist.

Leider ist aber der aggressive Ton und die Anonymität der Online-Kommunikation anscheinend so sehr zur Normalität geworden, dass sehr viele Leute das Gefühl dafür verloren haben, wie es dem anderen ergehen muss, der ihre Hasstiraden über sich ergehen lassen muss.

Sei solidarisch

Wenn du dies realisierst, bietet es dir Chancen. Auch wenn es nicht einfach ist, du musst diese Reaktionen nicht persönlich nehmen. Derjenige, der den ganzen Mist ablässt, kennt dich nicht. Er reagiert lediglich auf das verzerrte Bild, das er sich von dir gemacht hat. Warum solltest du dich also davon treffen lassen?

Egal, was du machst, lasse dich von Online-Sexismus nicht mundtot machen. Fürchte dich nicht davor, die Online-Arena zu betreten und deine Stimme zu erheben. Springe für andere Frauen in die Bresche, die Bashing und Shaming über sich ergehen lassen müssen und belästigt werden. Die Solidarität unter Frauen ist sehr wertvoll, besonders im rauen Umfeld der Social Media.

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1 comment

Braun
März 31, 2021 12:18 am

Warum sollen Frauen belästigt werden ? Gäbe es keine Frauen wären wir ja nicht auf der Welt. Ausserdem was habe ich als Mann davon Frauen zu belästigen ?Natürlich gibt es auf beiden Seiten Idiotinnen oder Idioten die meinen das sie besser sind als das andere Geschlecht. Bloß gäbe es nicht 2 Geschlechter, gäbe es auch keine Menschen. Aber leider gibt es bei beiden Seiten immer Blöde die meinen sie seien besser als das andere Geschlecht. Das beste ist garnicht hin zu hören wenn einer oder eine das meint.

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