Hauthunger: Warum wir physischen Kontakt brauchen

Hauthunger Beate Uhse Magazin

Berührt zu werden, ist wichtig. Sogar so wichtig, dass ohne körperlichen Kontakt etwas entsteht, das als Hauthunger bezeichnet wird. Hauthunger ist eine Beschreibung für die Sehnsucht nach Berührung. Eine tiefe Sehnsucht nach etwas, das einem fehlt oder das man zumindest nicht in ausreichendem Maße bekommt.

Innere Ruhe durch Berührung

Schon direkt bei der Geburt ist es für Kinder sehr wichtig, berührt zu werden, und auch danach ist es weiterhin von grundlegender Bedeutung, dass man genügend körperlichen Kontakt bekommt. Die physische Berührung stimuliert die Nervenenden in unserer Haut, wodurch Endorphin produziert werden. Endorphin ist auch als das Glückshormon bekannt, was dazu führt, dass wir uns verbunden und geliebt fühlen.

Darüber hinaus wirkt es sich positiv auf unser Immunsystem aus, auf unsere Verdauung und den Stoffwechsel. Es sorgt dafür, dass wir freier atmen können und dass unser Blut besser strömt. Das Blut kann mehr Sauerstoff aufnehmen und die Muskeln entspannen sich. Wenn dies fehlt, wird man an emotionalen und körperlichen Beschwerden leiden. Dazu gehören z.B. Aggressionsprobleme, Depressionen aber auch schlechtere Abwehrkräfte und Störungen bei Heilungsprozessen im Körper.

Primäres Lebensbedürfnis

Das alles wundert nicht wirklich, schließlich geht es hierbei um ein primäres Lebensbedürfnis, das nicht erfüllt wird. Die Umarmung eines Bekannten oder ein kurzes Streicheln über den Rücken von einem mitfühlenden Kollegen kann sehr angenehm sein, aber der Mangel an Körperkontakt zu einem Partner kann auch hierdurch nicht ausreichend kompensiert werden. Hauthunger tritt meistens in den folgenden Fällen auf:

  • Menschen, die einen Partner verloren haben
  • Senioren
  • Menschen in Gefangenschaft
  • Vernachlässigte Babys
  • Partner, die in ihrer Beziehung einen Mangel an Körperkontakt erleben

In unserer westlichen Gesellschaft scheint die Gruppe von Menschen, die einsam ist immer größer zu werden. Diese Menschen leiden an einem Mangel an intimen und bedeutungsvollen Beziehungen, wodurch sich der Druck in ihrer Beziehung zum Partner bezüglich der Erfüllung von Körperkontakt erhöht.

Körperkontakt gegenüber SEX

Wenn man den Hauthunger ausführlicher beschreibt, wird deutlich, dass das Bedürfnis nach Berührung – und somit einer Form körperlicher Intimität – etwas anderes ist, als sexueller Kontakt. Sexueller Kontakt kann eine Form des Körperkontakts sein, er reicht aber nicht aus, um das Bedürfnis nach Körperkontakt zu befriedigen.

Auch gute Gespräche und das Unternehmen gemeinsamer Aktivitäten reicht nicht aus, um das Bedürfnis nach körperlicher Berührung zu erfüllen. Diese beiden Dinge können zwar als Intimität bezeichnet werden, wenn sie als solche bewusst erlebt werden. Trotzdem wird diese Form der Intimität Körperkontakt nicht ersetzen können. Dadurch wird es für viele Menschen schwer, wenn sie sich in einer Beziehung mit einem Partner befinden, der den Körperkontakt scheut.

Lies auch: Von Intimität zu Sexualität

Oxytocin

Außer Endorphin gibt es noch ein weiteres Hormon, das eine wichtige Rolle bei Berührung spielt. Kennst du auch das Gefühl, dass die Welt für einen Moment still zu stehen scheint, wenn du dich nach einem anstrengenden Arbeitstag auf dem Sofa an deinen Partner schmiegst? Dein Puls verlangsamt sich, dein Blutdruck sinkt, die körperliche Anspannung löst sich und du kannst fühlen, wie du ruhiger wirst.

Oder du hattest gerade herrlichen Sex und möchtest nach deinem Orgasmus noch ein bisschen kuscheln oder vielleicht sogar gleich noch einmal Sex haben? In beiden Fällen sehnen wir uns nach Verbundenheit. Und dies verdanken wir der Oxytocinproduktion. Das Besondere am Oxytocin ist, dass es auf unterschiedliche Weise mit unserem Körper kommuniziert: Da es ein Hormon ist, kann es mit unseren Organen kommunizieren, z.B. mit dem Herz, dem Gehirn und der Haut. Da es aber auch ein Neurotransmitter ist, kommuniziert es zudem mit unserem Nervensystem.

Oxytocin wird aber nicht nur während einer Geburt, dem Stillen oder bei einem Orgasmus freigesetzt, sondern auch jedes Mal, wenn wir auf angenehme Weise an unseren Liebsten oder die Liebste denken und auch wenn wie die geliebte Person sehen.

Kuschelhormon

Oxytocin wird auch als das Kuschelhormon bezeichnet, aber es macht noch viel mehr mit uns als nur das. Es sorgt dafür, dass wir uns an eine Person binden, dass unser Vertrauen wächst und wir Risiken als weniger groß einstufen. Unsere Ängste lassen nach und unser Körper zeigt eine geringere Stressreaktion. Hierdurch trauen wir uns Dinge zu wie z.B. uns von unserer verletzlichen Seite zu zeigen, wenn wir gerade erst jemanden kennengelernt haben und uns in ihn verlieben. Es sorgt auch dafür, dass es sich so gut und beruhigend anfühlt, wenn wir mit unserem Partner zusammen sind. Unser Körper produziert dann mehr Oxytocin, was dazu führt, dass wir uns von all dem Stress erholen können, der uns ständig umgibt.

Das Oxytocin wirkt sich ebenfalls auf soziale Fähigkeiten aus, die für uns von Vorteil sind. Es unterstützt uns dabei, besser bei der Sache zu bleiben, wenn wir mit jemandem in Kontakt sind und wir werden zudem seine oder ihre verbale und nonverbale Kommunikation besser interpretieren können.

Oxytocin soll angeblich die gleichen Bereiche im Gehirn aktivieren wie Kokain und Heroin. Darum vergleichen es manche Personen mit einer Droge, von der man seine tägliche Dosis benötigt, damit man sich gut fühlen kann.

Einander berühren

Berührungen verbinden, sie senken das Stresshormon Cortisol im Blut ab und vermindern die Gefahr von aggressivem Verhalten. Berührungen helfen dabei, ruhig zu bleiben, sie tragen zu Intimität bei und sie sind ein primäres Lebensbedürfnis, das sich kaum durch etwas anderes ersetzen lässt.

Darum ist es auch sehr wichtig, das Bedürfnis des Partners nach Berührung ernst zu nehmen. Denn nur eine liebevolle und ganz bewusste Berührung wird dazu führen, dass die Qualität eurer Beziehung erhalten bleibt und es nicht zum Beziehungsbruch kommt.

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