Kolumne: Monogamie als Heiliger Gral?
Monogamie… sie hatte noch nie darüber nachgedacht, stellte nun aber fest, dass es ihr immer häufiger durch den Kopf ging: möchte sie wirklich den Rest ihres Lebens in einer monogamen Beziehung verbringen?
Lynn war immer fest davon überzeugt gewesen, dass sie es sich nicht einmal vorstellen konnte, wie es wäre, mit einem anderen Mann zusammenzusein. Als sie dann einmal etwas angeheitert gewesen war und mit einem Kollegen knutschte, fühlte sich es überhaupt nicht unangenehm an; im Gegenteil. Ihr Mann Vincent hatte bereits mehrmals vorgeschlagen, die Grenzen ihrer monogamen Beziehung etwas aufzuweichen. Lächerlich, fand Lynn. Als Vincent dann von ihrem Kuss erfahren hatte, machte sein Herz einen Sprung: Auf einmal sah er eine neue Gelegenheit für sein Anliegen.
Trotzdem stellte Lynn fest, dass es ihr keineswegs leicht fiel, das Traumbild einer monogamen Beziehung, das sie immer vor Augen gehabt hatte, einfach so hinter sich zu lassen. Außerdem wollte sie Vincent nach wie vor, wollte sie also wirklich noch weitere Männer in ihrem Leben? Was, wenn das Ganze nur eine Phase war? Wenn es nur eine versteckte Möglichkeit war, um fremdzugehen? Außerdem: War sie mit ihrem Kollegen nicht bereits fremdgegangen und würde das Eingehen einer nicht-monogamen Beziehung nicht nur eine Entschuldigung sein, um solche Fehltritte zu vertuschen bzw. zu legitimieren?
Eine nicht-monogame Beziehung sollte man nur dann eingehen, wenn sie der Beziehung wirklich einen Mehrwert hinzufügt und wenn beide Partner auch wirklich neugierig danach sind. Lynn fürchtete sich davor, dass es ihr nicht gefallen würde, fühlte sich aber auch irgendwie verpflichtet, Vincent den Wunsch zu erfüllen. Schließlich hatte sie bereits mit einem anderen geknutscht, darum hatte auch Vincent ein recht darauf, irgendwie.
Und sie ertappt sich auch selbst immer wieder bei ihrer eigenen Neugier. Sie achtet mehr auf andere Männer und manchmal auch auf Frauen. Sie fantasierte über andere Männer. Wäre es wirklich möglich? Würde sie wirklich nach den Händen eines anderen Mannes auf ihrem Körper verlangen? Würde sie auch im Nacken eines anderen Mannes vor Lust nach Luft schnappen können? Die Vorstellung erregte sie in einer Weise, die ihr unbekannt war.
Jetzt war es die Kunst, ihre eigenen Überzeugungen – mit Monogamie als Heiligem Gral – herauszufordern. Und wie ginge das besser, als mit anderen Männern zu flirten? Genau das würde sie in den kommenden Monaten zusammen mit Vincent machen. Denn Vincent konnte es kaum erwarten, seine so lang gehegten Fantasien endlich mit Lynn gemeinsam Wirklichkeit werden zu lassen
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