Kolumne: Sexualerziehung

Kolumne Sexualerziehung

Antonio und Anne stritten sich immer wieder darüber, wie sie mit der Sexualerziehung ihrer Kinder umgehen sollten. Antonio kommt aus einer Familie, in der schon sehr früh über Sexualität gesprochen wurde. Sein Vater hatte immer eine jüngere Liebhaberin und er vermutete, dass auch seine Mutter einen Freund hatte. Seine Schwester wurde mit 18 Jahren schwanger und dachte auch nach der Geburt ihrer Tochter immer sehr frei über Sex, was sie auch auslebte. In seiner Familie war Sexualität etwas, das erlaubt war. Man durfte sie genießen und neugierig sein.

Anne kommt dagegen aus einer Familie, in der kaum über Sexualität und Sexualerziehung gesprochen wurde. Sie sah ihre Eltern nur selten miteinander intim sein. Ihre eigene Sexualität entdeckte sie vor allem durch den Sexualunterricht in der Schule. Und eigentlich findet sie, dass das alles gut geklappt hat. Sie stellte fest, dass sie ziemlich starke Vorurteile hatte, was den Umgang mit Sexualität in Antonios Familie angeht. Sie glaubte, dass seine Schwester nicht so früh schwanger geworden wäre, wenn seine Eltern mit dem Thema Sex nicht so offen umgegangen wären.

Darum ist Anne auch der Meinung, dass sie dies bei ihren Kindern anders machen sollten: Antonio und sie sollten sie lieber nicht proaktiv auf das Thema ansprechen. Und falls ein Kind Fragen haben sollte, würden sie diese beantworten und darüber sprechen, aber gemäßigt. Den Rest würden sie schon in der Schule im Biologieunterricht erfahren oder später als Erwachsene selbst erleben.

Antonio dachte vollkommen anders darüber. Er sah es als seine Pflicht an, seinen Kindern mehr mitzugeben als nur das. Rückblickend war es bei ihm zu Hause vielleicht ein bisschen sehr frei und offen zugegangen, allerdings hat ihn dies sehr gut seinem sexuellen Ich nähergebracht.

Dieser Streitpunkt steht nun schon seit 12 Jahren zwischen Antonio und Anne. Vor 12 Jahren schien das Ganze noch kein echtes Problem zu sein, denn damals hatten sie noch keine Kinder. Jetzt sind die Kinder aber 11 und 9 Jahre alt, und das Einzige, was sie bisher zum Thema Sexualität mitbekommen hatten, war, dass es dabei wohl um etwas ziemlich Kompliziertes gehen musste, über das sich ihre Eltern nicht einige werden konnten, wie sie damit umgehen sollten. Die Frage ist, ob Antonio und Anne sich bewusst sind, dass sie durch ihr Verhalten ihren Kindern eine ziemlich deutliche Botschaft zum Thema Sexualität mitgeben?

Sexualerziehung bzw. sexuelle Aufklärung hat auch sehr viel mit kleinen Hinweisen zu tun; mit bestimmten Bemerkungen und Reaktionen. Jedes Mal, wenn auf eine Frage nicht geantwortet wird oder die Eltern sich über diese Antwort streiten bzw. ihr ausweichen wollen, senden sie eine Botschaft aus. Währenddessen hatten die Kinder von Antonio und Anne keine Ahnung, was sie mit dem Thema Sex anfangen sollten, insofern sie damit überhaupt in Berührung gekommen waren. Anscheinend ging es dabei um etwas, dem man lieber aus dem Weg ging und das zwischen den Eltern nur zu Streit führte.

Mir scheint, dass Anne und Antonio und sich dessen nicht bewusst waren, wenn sie jedes Mal wieder in Streit gerieten, wenn es um die sexuelle Erziehung ihrer Kinder ging. Aber genau diesen Eindruck kreierten sie bei ihren Kindern.

Lies auch: Warum man mit der Tochter über Sexualität sprechen sollte

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