Pornosucht: Wann schaut man zu viel Porno?
Wir sind von Porno umgeben. Und das war schon immer so. Von den zweideutigen Zeichnungen an römischen Wänden und den hintersten Ecken der 90er-Jahre Videotheken bis zu den heutigen PornHubs. Vielleicht hast auch du schon einmal einen entsprechenden Film heruntergeladen oder bist sogar ein eingefleischter Pornogucker. Ab wann wird der Konsum solcher Hechelstreifen aber problematisch? Ab wann kann von einer Pornosucht gesprochen werden?
Porno: Die Zahlen
Zuerst einige Zahlen, denn die lügen nicht. Nicht weniger als 30 Prozent des gesamten Internetverkehrs wird durch Pornografie verursacht. Und ja, das ist sehr viel. Die größte und beliebteste Pornosite wird ganze 4,4 Billion Mal pro Monat besucht.
Das niederländische Kenntniszentrum für Sexualität, Rutgers, vermutet, dass 71 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen sich ab und zu Pornos anschaut. Bei den Männer schauen 31 Prozent mindestens einmal pro Woche. Die Frauen sind nicht ganz so fanatisch, hier schauen nur 5 Prozent einmal pro Woche einen erregenden Streifen.
Und wenn man bedenkt, dass der Durchschnittsmensch nur etwa 3 bis 6 Minuten auf einer Nachrichtenseite verbringt, sagt es schon viel, dass auf Pornosites im Schnitt mindestens 15 Minuten verbracht werden.
Schwindelerregende Zunahme
Das sollte uns auch nicht weiter erschrecken. Schließlich gehört Porno spätestens seit der sexuellen Revolution einfach dazu. Und die rasante Entwicklung des Internets und digitaler Technologien hat dazu geführt, dass die online Pornografie in schwindelerregendem Maße zugelegt hat. Noch nie war es so einfach, ganz anonym Pornos konsumieren zu können, aus allen Winkeln der Welt.
Über Pornosites hat man direkten Zugang zu Bildern, kurzen Videos oder auch sehr langen Gang-Bang-Sessions, und das oft sogar völlig kostenlos. Man muss sich nicht mehr unauffällig in die hintersten Winkel der Videothek schleichen, während einen kichernde Teenager heimlich dabei beobachten. Dank des Internets kann man sich anschauen, was man will, wo man will und wann man will; in allen Farben, Formen und Ausführungen.
Dank des Internets kann man sich anschauen, was man will und wo man, in allen Farben, Formen und Ausführungen.
Erholsame Masturbierer
Das muss auch nicht unbedingt ein Problem darstellen, denn die meisten Pornogucker sind keine zwanghaften Fummler und Fingerer. Im Gegenteil: Es handelt sich um Masturbierer, die sich erholen wollen und die Porno schauen, weil sie darauf einfach Lust haben; die nur etwas Dampf ablassen wollen. Oder weil sie ihrem Sexleben etwas mehr Aufregung verpassen möchten. Also alles überhaupt nicht besorgniserregend.
Es gibt aber auch Pornogucker, bei denen der Fall etwas komplexer liegt. Und aus diesem Grund wird das Phänomen auch immer kritischer betrachtet. Nicht nur von Feministinnen oder Christen, sondern auch von Beziehungstherapeuten. Diese Berufsgruppe läutete 2002 die Alarmglocken, weil ihrer Meinung nach die Hälfte aller Scheidungen auf das Konto von Pornokonsum zurückzuführen war. Viele Sexologen und Therapeuten stellen fest, dass sie immer öfter Kunden haben, die mit pornobezogenen Beziehungsproblemen kämpfen.
Obsessive Pornofanatiker
Das bestätigt auch die Wissenschaft. Eine Studie aus dem Jahr 2019 weist daraufhin, dass drei bis sechs Prozent der Menschen kompulsives sexuelles Verhalten zeigen und dass hierbei Porno eine wichtige Rolle spielt. Es sind also die obsessiven Pornofanatiker, die sich mehrmals pro Tag zwanghaft selbstbefriedigen, um die man sich Sorgen machen muss.
Menschen, die sich Porno zuwenden, weil sie sich in einer sexlosen Beziehung befinden und nicht mit anderen Menschen intim sein können, oder einfach keinen Sex mehr haben können, weil sie alles an pornografischen Inhalten messen.
Ist Porno also wirklich nur ein unschuldiger Zeitvertreib? Kurz entspannen, sich selbst einen Höhepunkt verschaffen und dann zurück in den Alltag? Eigentlich schon. Bei manchen Menschen kann dies aber zur Besessenheit werden und zu Beziehungsproblemen führen.
Pornosucht
Obwohl Porno nicht als Standard-Suchtart gilt, so handelt es sich dennoch zweifellos um etwas, das zu zwanghaftem Verhalten führen kann. Und das infolgedessen relationale und psychische Probleme auslösen kann.
Schwedische Forscher befragten diesbezüglich 1913 Internetnutzer nach ihrem online Pornokonsum. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass 5 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer ihren Pornokonsum als problematisch einstuften. Und dass 2 Prozent der Frauen und 5 Prozent der Männer ernsthafte Probleme mit ihren sexuellen Aktivitäten auf Pornowebsites hatten. Für die Betreffenden fühlt sich dies also recht sicher wie eine Pornosucht an.
Übertrieben und extrem
Warum ist das so? Niemand wird überrascht sein zu hören, dass ausgiebiges Pornoschauen zu unrealistischen Erwartungen führen kann. Die meisten Darstellungen in Pornofilmen sind übertrieben und extrem. Niemand kann stundenlang ohne Pille durchhalten. Und die meisten Frauen werden auch nicht von einer Ejakulation mitten ins Gesicht geil, egal wie erregend dies Pornodarstellerin auch zu finden scheinen. Diese Bilder vergleichen die Zuschauer dann schnell mit ihren eigenen Bettgewohnheiten und fragen sich dann: “Ist das alles?”
Sie fühlen sich verunsichert, was zu Problemen mit Intimität oder sexuellen Leistungen führen kann. Außerdem denken Jugendliche, die viel Porno in ihren prägenden Jahren schauen, dass dies normaler Sex wäre. Auch die Anatomie er Pornostars ist meistens nicht besonders realistisch. Enorme Brüste und Penisse, Gesäßimplantate, keine Spur von Schamhaar und jede Menge Beleuchtungstricks und Nachbearbeitung, wodurch kein Fettröllchen oder Orangenhaut zu sehen ist.
Die meisten Darstellungen in Pornofilmen sind übertrieben und extrem. Niemand kann stundenlang ohne Pille durchhalten.
Langweilig und vorhersehbar
Menschen, die übertrieben viel Porno schauen, benötigen deswegen auch mehr Stimulation, um in Erregung geraten zu können. Wenn sie mit ihrem Partner im echten Leben im Bett liegen, kann es dann geschehen, dass das Blut überall hinströmt, nur nicht in die Geschlechtsteile. Normale sexuelle Begegnungen werden für sie zu langweilig und zu vorhersehbar. Sie werden zudem immer unsensibler für Sex mit ihrem Partner oder einem anderen Menschen aus Fleisch und Blut.
Man könnte es mit dem Trinken von Alkohol vergleichen. Irgendwann gewöhnt sich der Körper daran und man wird immer mehr benötigen, um den Rausch zu erreichen. Das wirkt genauso bei Pornos. Je öfter man sie sich ansieht, desto mehr und extremere Bilder wird man benötigen und umso schwieriger wird es werden, im echten Leben noch in Erregung zu kommen. Die Latte wird immer höher liegen.
Außerdem ist Porno schnell, einfach und unpersönlich. Intimität kann dagegen auch schwierig und sogar etwas peinlich sein. Wenn man bereits Schwierigkeiten hat, eine Beziehung einzugehen, kann Porno sich als gute Möglichkeit erweisen, doch noch zum Zug zu kommen. Gleichzeitig läuft man auf diese Weise aber Gefahr, dass die Schwelle zu echtem menschlichem Kontakt und Intimität immer schwerer zu überwinden ist.
Je öfter man sie sich ansieht, desto mehr und extremere Bilder wird man benötigen und umso schwieriger wird es werden, im echten Leben noch in Erregung zu kommen.
Wann leidet man an Pornosucht?
Bei einer ‘Pornosucht’ geht es nicht unbedingt um das Schauen von sehr viel Porno; obwohl natürlich sieben Mal täglich schon ein ziemlich klares Zeichen dafür ist, dass etwas nicht stimmt. Trotzdem ist es schwierig, nur auf Basis der Häufigkeit zu entscheiden, ob jemand ein Problem hat oder nicht.
Es gibt aber einige recht deutliche beunruhigende Signale, auf die man achten sollte:
1: Man wird immer unsozialer
Schließt du dich zu Hause lieber mit deinem Laptop, einem Sexspiel und einer Rolle WC-Papier ein? Und stellst du fest, dass du immer weniger Interesse an sozialen Kontakten außer Haus hast? Menschen, die sich ständig Ausreden ausdenken, um sozialen Aktivitäten zu entkommen, weil sie lieber mit sich selbst spielen, sollten sich einmal am Ohr ziehen. Genau wie Menschen, denen es schwerfällt, soziale Beziehungen zu unterhalten, weil sie viel zu beschäftigt sind Pornofilme anzuschauen. Dann geht die Pornoliebe wohl ein ganzes Stückchen zu weit.
Andererseits kann die Ursache für den übermäßigen Pornokonsum auch darin zu suchen sein, dass man Probleme mit dem Eingehen einer Beziehung hat. So ein bisschen wie mit dem Ei und Huhn eben. Falls dies der Fall sein sollte, wäre es empfehlenswert, darüber mit einem Sextherapeuten oder Psychologen zu sprechen.
2: Man belügt den Partner
Etwa 70% der Menschen halten ihre Pornogewohnheiten lieber geheim. Das ist auch nur logisch, denn schließlich haftet dem Ganzen ein großes Tabu an. Trotzdem ist es problematisch, wenn du dich nicht traust, diesen Teil deines Lebens nicht mit deinem Partner zu teilen. Vor allem dann, wenn dir irgendwo bewusst ist, dass das Pornoschauen bei dir anfängt, zur Besessenheit zu werden.
Stellst du fest, dass du regelmäßig über deine Pornoaktivitäten lügst? Falls du nicht mit jemandem verheiratet bist, der sehr schnell mit seinem Urteil ist, solltest du dies als klares Alarmsignal auffassen. Versuche mit deinem Partner oder jemand anderem, dem du vertraust darüber zu sprechen, bevor deine Pornosucht immer mehr zwischen dir und deinem geliebten Partner zu stehen kommt.
3: Du kommst nur noch durch Porno in Erregung
Enormes Alarmsignal: Du bist für Intimität nicht mehr offen, vermeidest echten Sex und ziehst dich lieber mit einem ganzen Arsenal an XXX-Filmchen auf einer Pornosite zurück. Du wirst sexuell komplett von dem in Beschlag genommen, was deine Lieblingspornostars so alles fabrizieren und ziehst dich dafür immer mehr von deinem eigenen Partner zurück.
Dir fällt es deswegen auch immer schwerer, von echten Menschen in Erregung versetzt zu werden. Wenn du normalen Sex hast, stellst du fest, dass dein sexuelles Verlangen und deine körperliche Reaktion nicht mehr ausreichend stimuliert werden. Oder dass du wilder, fordernder und erniedrigender als früher zu Werke gehst.
Manche fanatischen Pornogucker finden ihren normalen Partner sogar unattraktiv, weil er oder sie nicht wie ein Pornostar aussieht, weil er oder sie nicht die verrückten Porno-Stellungen durchführen kann oder will oder weil der Partner nicht so stöhnt oder hechelt wie in einem Porno. Sie empfinden ihr eigenes Sexleben als langweilig und ihre Erwartungen bezüglich Sex, Intimität und ihres Sexpartners sind stark verzerrt.
Manche fanatischen Pornogucker finden ihren normalen Partner sogar unattraktiv, weil er oder sie nicht wie ein Pornostar aussieht, weil er oder sie nicht die verrückten Porno-Stellungen durchführen kann oder will oder weil der Partner nicht so stöhnt oder hechelt wie in einem Porno.
4: Es fühlt sich wie eine Sucht an
Man kann auch an seinem Gefühlsleben feststellen, ob das eigene Pornoverhalten problematisch ist. Gefühle wie Wut, Scham, Einsamkeit, Unruhe und Reizbarkeit treten bei Menschen, die häufig Porno schauen relativ oft auf. Diese Personen haben oft auch Probleme mit dem Schlafen oder Entspannen, weil sie ständig nur an den nächsten ‘fix’ denken.
Zudem haben sie oft das unbestimmte Gefühl, dass sie über ihren Pornokonsum keine echte Kontrolle besitzen. Pornoschauen hat etwas Zwanghaftes an sich, etwas, das geschehen muss, um mit dem Tag weitermachen zu können. Wenn sie dann fertig sind, fühlen sie sich oft schuldig und beschämt, bis der Drang wieder so stark zunimmt, dass sie ihm erneut nachgeben. Es fühlt sich wie eine Pornosucht an und das ist auch das, was zählt.
Was kann man gegen eine ‘Pornosucht’ unternehmen?
Das ist an sich recht simpel. Egal, ob man wirklich von einer Pornosucht sprechen kann oder nicht, wenn dein entsprechendes Verhalten in dieser Sache deine Beziehung und dein tägliches Leben negativ beeinflusst, hast du ein Problem; wenn deine Arbeit oder dein Studium darunter leidet, nur weil du ständig auf der Jagd nach dem nächsten Video bist. Oder weil du mit deinem Partner nicht mehr intim sein kannst, weil dich nur noch reiner Porno in Erregung versetzen kann.
Bei einer Pornosucht geht es nicht darum, dass du aufhörst mit Pornoschauen. Wenn du z.B. Porno dazu nutzt, um stressige Situationen besser durchstehen zu können, hat es nicht viel Sinn, seinen Pornokonsum rigoros zu unterbinden. Der Porno ist nicht das eigentliche Problem, sondern der Stress. Versuche darum lieber zu ergründen, was den Stress verursacht und packe das Problem bei der Wurzel. Gehe mehr nach draußen, pflege mehr soziale Kontakte und auch Meditation kann dir helfen.
Schäme dich nicht und suche dir Hilfe!
Schaffst du es nicht selbst, deine Pornosucht in den Griff zu bekommen? Dann solltest du dich nicht dafür schämen, sondern dir lieber Hilfe bei einem Psychologen oder Sextherapeuten suchen. Sie können dir dabei helfen, deine Beziehung zum Pornoschauen besser zu verstehen und Strategien zu entwickeln, die zugrundeliegenden psychologischen Probleme zu bewältigen.
Aber nochmals: An sich ist Porno für sich genommen nur ein recht unschuldiger und angenehmer Zeitvertreib. Man darf ihn sich ruhig anschauen und muss sich deswegen auch nicht schämen. Und man muss sich auch nicht schämen, wenn man hierbei langsam die Balance verliert. Man sollte sich dann aber helfen lassen, damit man wieder eine gesunde Beziehung zu Porno, dem Partner und seinem Sexleben entwickelt!
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